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Kritik an Gabriel "Bodenlose Unverschämtheit"

Sigmar Gabriel ist im ZDF auf Konfrontationskurs zur Union gegangen - und kassiert nun Kritik. Führende Vertreter von CDU und CSU wiesen am Montag Blockadevorwürfe Gabriels ungewöhnlich scharf zurück.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel

Foto: Rainer Jensen/ dpa

Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat sich Sigmar Gabriel gleich zu mehreren heiklen Themen Stellung bezogen: Im ZDF-Sommerinterview erklärte der SPD-Chef das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP, faktisch für gescheitert. Gleichzeitig griff er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Flüchtlingspolitik scharf an.

"Die Union hat die Herausforderung unterschätzt", sagte Gabriel. Es sei "undenkbar, dass Deutschland jedes Jahr eine Million Menschen aufnimmt". Und es reiche nicht, wie Merkel ständig zu sagen: "Wir schaffen das." Kanzlerin und Union müssten "die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir es auch hinkriegen. Und das hat die CDU/CSU immer blockiert".

Nun folgt die Antwort aus der Union. CDU-Generalsekretär Peter Tauber etwa sagte nach einer Sitzung des Parteipräsidiums in Berlin, die Aussagen Gabriels zur Flüchtlingspolitik und zur inneren Sicherheit seien "nicht nur eine bodenlose Unverschämtheit, sondern in der Sache auch noch falsch". Die Regierung wäre mit ihren Maßnahmen etwa zu den Asylregelungen möglicherweise noch ein wenig schneller gewesen, "wenn die SPD uns nicht bei jeder Gelegenheit im Wege gestanden hätte", sagte Tauber weiter.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf Gabriel vor, in der Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge Slalom zu fahren. "Im Gegensatz zum Schlingerkurs der SPD steht der klare Kurs der CSU: Die CSU ist schon immer für eine Obergrenze", sagte Scheuer. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, Gabriel habe offensichtlich den Sinn für die Realität verloren. "Ich erwarte von der SPD, dass sie nicht die Tatsachen verdreht, sondern sich konstruktiv an politischen Diskussionen beteiligt."

Haltung Gabriels sei "grundfalsch"

Auch seine TTIP-Aussage sorgte für Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ in Berlin verlauten: "Es ist richtig, weiter zu verhandeln." Tauber sagte, der Eiertanz Gabriels zwischen Parteivorsitz und Wirtschaftsminister sei nur schwer erträglich. "Als Wirtschaftsminister muss man ihn daran erinnern, dass sein Amtseid dem deutschen Volk gilt, nicht der SPD oder gar der Parteilinken." Gabriel sei verpflichtet, für Arbeitsplätze zu streiten und für die Interessen deutscher Unternehmen. "Deswegen ist seine Haltung zum Freihandel und vor allem zu TTIP grundfalsch."

Das sieht nicht nur der Koalitionspartner so. Er fände die Aussage des Wirtschaftsministers erstaunlich, sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Dies sei politisch fragwürdig. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte: "Ich begrüße, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei TTIP weiter Flagge zeigt und den richtigen Kurs für den Exportstandort Deutschland vorgibt." Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warf Gabriel wahltaktisches Verhalten vor.

Auch der Maschinenbauverband VDMA forderte mehr Engagement. Als Wirtschaftsminister der "Exportnation Deutschland" müsse sich Gabriel "ohne Wenn und Aber" für den Freihandel einsetzen, erklärte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Vom freien Austausch von Waren und Dienstleistungen hingen Millionen Arbeitsplätze ab.

Nur aus der eigenen Partei und aus dem Gewerkschaftslager erhielt Gabriel Unterstützung. IG-Bau-Chef Robert Feiger sagte, alles was bisher über TTIP bekannt sei, widerspreche "unserer Vorstellung von einem Zusammenleben in Europa".

Trotz seiner TTIP-Abkehr wirbt Gabriel weiter für das Ceta-Abkommen der EU mit Kanada. Für die Grünen-Umweltpolitikerin Bärbel Höhn ist das inkonsequent. Sie schrieb bei Twitter, wenn Gabriel TTIP für gescheitert erkläre, müsse er auch gegen "dessen Blaupause" Ceta sein.