Politik

Reaktionen auf "extra3"-Beschwerde Das Netz überschüttet Erdoğan mit Spott

Humor ist, wenn man trotzdem lacht - auch, wenn dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan nach seiner Beschwerde über die NDR-Show "extra3" das Lachen vergangen sein mag: Das Netz lässt sich den Spaß an Satire nicht verbieten.

Mit seiner Beschwerde beim deutschen Botschafter über einen Satire-Beitrag in der NDR-Sendung "extra3" hat sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zum Gespött im Netz gemacht. Nachdem bereits der Deutsche Journalisten-Verband mit Verwunderung auf die Forderung Ankaras reagiert hatte, den Beitrag über Erdoğan sofort zu löschen, überboten sich auch die Nutzer auf Twitter mit höhnischen Kommentaren. "Wir brauchen keinen Humor! Wir brauchen mehr Stroh!", schrieb einer unter dem Hashtag #Erdogan.

Ein anderer schrieb: "Das einzige, was Erdogan mit dem Theater erreicht, ist, dass das Video noch mehr Menschen sehen." Wie richtig diese Einschätzung ist, bestätigte wenig später das Satire-Magazin selbst und kürte den Staatschef zum "Mitarbeiter des Monats". Mittlerweile ist der Song "Erdowie, Erdowo, Erdogan!" rund 688.000 Mal auf Youtube angeklickt und sogar ins Türkische übersetzt worden. Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt unterstellte ihm deshalb augenzwinkernd, wissentlich Werbung für das Satire-Stück machen zu wollen. "Klammheimlich fand Erdogan seinen Song so gut, dass ihn schnell alle kennen sollten", twitterte sie.

Dass weder die Bundesregierung noch das Auswärtige Amt angesichts der ganzen Aufregung eine Reaktion zeigten, wurde derweil nicht nur im Netz kritisiert. "Das laute Schweigen der Bundesregierung über den zunehmenden Rechtsstaatsverfall in der Türkei wird von der türkischen Regierung offenbar ausgekostet", sagte Claudia Roth von den Grünen. Und Linke-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen forderte in der ARD, "dass unsere Grundrechte auf dem schäbigen Altar des EU-Türkei-Deals nicht geopfert werden" dürften.

Erdoğan als beleidigte Leberwurst

Mögliche Antworten auf die Beschwerde des türkischen Staatsoberhaupts lieferten derweil die Nutzer via Twitter. "Ne gute Reaktion der Regierung wäre: Sprachnachricht an Erdogan. 'Mimimimimimimimi!'", schrieb ein Nutzer. Die Entschlossenheit, sich nicht dem Diktat aus Ankara zu beugen, fassten die Satiriker von "Der Postillon" schließlich unter dem Hashtag #solidaritaetmitextra3 zusammen - und sie legten gleich noch eine Pointe nach. Erdoğan als beleidigte Leberwurst. Sicher auch kein Bild, das dem Staatschef gefallen dürfte.

Beim federführenden Norddeutschen Rundfunk sieht man jedenfalls keinen Grund zum Einknicken. Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR-Fernsehens, erklärte, der Rückgriff der Türkei auf eine diplomatische Intervention sei "mit unserem Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit" nicht vereinbar. "In Deutschland ist politische Satire erfreulicherweise erlaubt. Darunter fällt auch der extra-3-Beitrag."

Die türkische Regierung hatte den Botschafter Martin Erdmann vor einer Woche wegen des Spottliedes "Erdowie, Erdowo, Erdogan" einbestellt. Bei dem Treffen verlangte die türkische Seite von Erdmann nach Angaben eines türkischen Diplomaten die Löschung des Beitrags. In dem knapp zweiminütigen Lied, das Erdoğan ein gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit vorwirft, heißt es zur Melodie des Songs "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" von Sängerin Nena: "Ein Journalist der was verfasst, das Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast."

 

Quelle: ntv.de, jug/AFP

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