Die Jobbewerberin staunte nicht schlecht, als sie auf Nachfrage die Begründung des Unternehmens für die Absage an sie hörte: Zwar sei sie hervorragend qualifiziert, man habe sich aber für einen älteren Mann entschieden. Dieser Kandidat habe mehr Erfahrungen und sei insofern noch besser qualifiziert gewesen – und man wolle für mehr Vielfalt im Team sorgen und deshalb ältere und männliche Mitarbeiter einstellen.

Die Bewerberin war verwundert. Die Frau, die lieber anonym bleiben will, ist Mitte 30 und hatte sich auf eine Senior-Professional-Stelle im Marketingbereich eines großen Medienunternehmens beworben. Aber statt ihrer wurde nun ein Mann Mitte 50 eingestellt. Ein Fall von Diskriminierung?

Nein, denn tatsächlich arbeiteten in der Abteilung fast nur Frauen im Alter zwischen Anfang und Ende 30. Die Mitarbeiterinnen waren sich sehr ähnlich: Sie hatten in der Regel die gleichen Fächer studiert und neben einer vergleichbaren formalen Qualifikation auch ähnliche Berufserfahrung gesammelt und einen ähnlichen persönlichen Background. Der Konzern hatte in den vergangenen Jahren stark darauf geachtet, mehr Frauen einzustellen – und das Ergebnis war eine sehr homogene Abteilung.

Nun aber stellte das Unternehmen fest: Der männliche Blick fehlte, ebenso wie der von jemand Älterem. Darum war es für die Personalabteilung auch unproblematisch, die Absage an die Bewerberin mit dem Alter und dem Geschlecht zu begründen. Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, bei der Personalsuche Männer und Frauen gleich zu behandeln. Und das heißt auch: Stellt ein Unternehmen nur Frauen oder nur Männer ein, liegt in der Regel eine Diskriminierung vor. Das ist aber nicht der Fall, wenn das Unternehmen wie in diesem Beispiel darauf achtet, dem unterrepräsentierten Geschlecht den Vorzug zu geben.

Die einzige Ausnahme von der Regel: Ist eine wesentliche und entscheidende Anforderung für eine Stelle an das Geschlecht des Bewerbers oder die Bewerberin gebunden – etwa, wenn eine Psychologin für ein Frauenhaus gesucht wird – dann darf das Unternehmen Kandidaten des anderen Geschlechts ablehnen. 

Das AGG legt strenge Kriterien an

Allerdings ist nicht jede Benachteiligung auch nach dem Gesetz eine Diskriminierung. Wo sind die Grenzen? Das definiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das vor gut zehn Jahren geschaffen wurde. Es soll unter anderem Arbeitnehmer vor Benachteiligung schützen – aufgrund der ethnischen Herkunft oder aus rassistischen Gründen, aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, aufgrund einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität.

Damit nennt das Gesetz auch die Kriterien, nach denen man sich juristisch gegen eine Diskriminierung wehren kann. Sie sind Segen und Fluch des AGG zugleich: Segen, weil sie so weit gefasst sind, dass die meisten Diskriminierungsgründe damit abgebildet werden können. Fluch jedoch, weil sie nicht auf jede Benachteiligung anwendbar sind.

Wird etwa ein Bewerber abgelehnt, weil er aus Ostdeutschland stammt, liegt keine Benachteiligung gemäß des AGG vor. Zu diesem Urteil kam das Arbeitsgericht Stuttgart im Jahr 2010 (Az., 17 Ca 8907/09). Die Begründung: Auch wenn die Begründung für eine Absage als diskriminierend empfunden wird, erfülle die Bezeichnung nicht das Merkmal der ethnischen Herkunft im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes. Denn Ostdeutsche sind keine eigene Ethnie, weil sie sich in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung und Ernährung kaum von Bürgern in den alten Bundesländern unterscheiden.