Die Haushaltsabgabe trennt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk endgültig von der Technik ab

Der Haushaltsbeitrag und der neue öffentlich-rechtliche Komplex

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Rund 90 Jahre nach der Einführung der Hörfunks in Deutschland wurde die Gebühr auf den Besitz von Empfangsgeräten wie Radio, Fernseher oder Computer durch den - geräteunabhängigen - Haushaltsbeitrag ersetzt. Hinter der scheinbar unspektakulären Änderung der Berechnungsgrundlagen verbirgt sich eine Revolution: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde von der Technik gelöst. Technisch bedingte Defizite aber dienten bisher der Legitimation des gebührenfinanzierten Systems.

Das Mediensystem, das nach 1945 in Deutschland neu aufgebaut wurde, bestand eigentlich aus zwei ganz unterschiedlich finanzierten Systemen: Die Presse (Zeitungen, Zeitschriften) war privatwirtschaftlich organisiert und finanzierte sich durch Abonnement, Verkauf oder Werbung. Die noch jungen elektrischen Medien Hörfunk und später dann auch Fernsehen hingegen wurden marktfern und öffentlich-rechtlich aufgestellt sowie durch Gebühren finanziert.

Frequenzmangel

Es waren technische Gründe wie der Mangel an Übertragungsfrequenzen, die die Gründung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach 1945 plausibel machten. Viele Jahre war nur ein Hörfunkprogramm, später dann auch nur ein Fernsehprogramm zu empfangen. Es gab keinen Hörfunk- oder Fernsehmarkt mit konkurrierenden Angeboten wie bei den Papiermedien. Deshalb versuchte man, den Mangel an Vielfalt durch Binnenpluralität zu ersetzten. "Über lange Jahre", so der langjährige SFB-Intendant Franz Barsig, "kam niemand auf die Idee, die sogenannte publizistische Gewaltenteilung anzutasten." Presse und Rundfunk, Papier und Elektrizität, Werbung und Gebühr, Markt und Monopol kamen sich in dem noch vergleichsweise kleinen und prosperierenden Mediensystem kaum ins Gehege.

Die Gebühren waren technisch festgelegt und gerätebezogen zu zahlen. Der Besitz eines Radios kostete zunächst zwei DM monatlich, ein Fernseher fünf DM (1954). Die öffentlich-rechtlichen Anstalten waren finanziell vorzüglich ausgestattet - und doch gab es bereits 1948 einen ersten "Sündenfall" (Klaus von Bismarck). Der Hörfunk begann Werbung auszustrahlen. Die Systemgrenze zwischen Presse und Hörfunk, dann auch zwischen Presse und Fernsehen wurde porös.

In den 1970er Jahren bezog etwa der Süddeutsche Rundfunk bis zu 20 Prozent seiner Einnahmen aus Werbung. Neue Programme sollten sogar nur noch mit Werbegeldern finanziert werden. "Ein kleiner Schritt", so klagte später der damalige SDR-Hörfunkdirektor Peter Kehm, und "wir hatten es: das 'duale' Rundfunksystem unter einem Dach, im eigenen Haus". Aber durch die Werbung wurden nicht nur zusätzliche Einnahmen erzielt. Sie veränderte auch die Ästhetik der öffentlich-rechtlichen Programme rapide.

An der medialen Arbeitsteilung freilich änderte sich bis in die 1980er Jahre wenig. Verleger machten Presse, Öffentlich-Rechtliche - weitgehend konkurrenzlos - Radio und Fernsehen. Frequenzen waren weiterhin knapp, Programme auch. Doch der technisch bedingte Mangel garantierte - bis in die Urteile des Bundesverfassungsgerichts hinein - den Status Quo. Franz Barsig: "Die Frequenzknappheit ließ sich nicht beheben, und so blieb alles beim Alten."

Neue Technologien

Dann brachten neue (elektrische) Technologien Bewegung ins bundesdeutsche Mediensystem. Der Hörfunk erhielt neue UKW-Frequenzen. Satelliten und Kabel ermöglichten neue Verbreitungswege. Der einstige Mangel an Übertragungswegen verschwand langsam.

In den Achtzigern wurde das tradierte Mediensystem um ein duales Rundfunksystem erweitert. Die Verleger machten weiterhin Presse, die Öffentlich-Rechtlichen weiterhin gebührenfinanzierten Rundfunk. Doch daneben - oder besser: dazwischen - entstand nach und nach ein werbefinanzierter Privatrundfunk, der nicht zuletzt durch Presseverlage getragen wurde. Die publizistische Gewaltenteilung wurde erneut verändert.

In Deutschland ist Medienpolitik weitgehend juristisch dominiert. Erst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1986) machte das duale System möglich und definierte zugleich noch die neue Aufgabenverteilung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte eine "Grundversorgung" gewährleisten, der Privatfunk hatte einen "Grundstandard" zu liefern.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlor in den Achtzigern sein Monopol und bekam erstmals direkte Konkurrenz. Aber es entstand keine wirkliche Auseinandersetzung zwischen Öffentlich-Rechtlich und Privat: Werbende Privatsender konkurrierten nun mit werbenden Gebührenprogrammen. RTL, zum Beispiel, mit dem ZDF, Radio Schleswig-Holstein (RSH) mit NDR 2 - und mit der Quote wurde der jeweils aktuelle Sieger gemessen.

Die Einführung des dualen Systems veränderte die bundesdeutsche Medienlandschaft radikal - und es dürfte die boomende Werbung gewesen sein, die diese Veränderungen beflügelte. Die Gebühren stiegen erheblich: 16 DM (1983)/ 23 DM (1992) und die Zahl der Sender wuchs gewaltig. Neben rund 60 öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen gibt es inzwischen mehr als 250 Privatradios. Private und öffentlich-rechtliche Sender teilen sich mehr oder weniger die Hörerschaft. Im Fernsehbereich erreichen auch die großen Sender zunehmend nur noch Teilpublika. DasErste und das ZDF, versuchten diesen Prozess aufzuhalten, indem sie Kultur und Politik früh auf neue Spartensender verlagerten.

Auch im neuen dualen System blieben die alten, analogen Grenzen zunächst erhalten: Presse druckte Texte, Radio sendete Töne und Fernsehen Bilder. Doch der einst frequenzbedingte Mangel war durch neue Programme (quantitativ) behoben worden.