Rasante Evolution bei afrikanischen Buntbarschen und Schweizer Felchen

In den grossen afrikanischen Seen sind Buntbarsche verschiedenster Farbgebung entstanden. Was die Vielfalt ermöglichte, hat nun ein Team von Forschern aus der Schweiz und den USA herausgefunden.

Drucken
Ein blauer Buntbarsch aus dem Malawi-See. (Bild: Toby Hudson (CC BY-SA 3.0))

Ein blauer Buntbarsch aus dem Malawi-See. (Bild: Toby Hudson (CC BY-SA 3.0))

(sda) ⋅ In den grossen afrikanischen Seen sind Buntbarsche verschiedenster Farbgebung entstanden. Was die Vielfalt ermöglichte, hat nun ein Team von Forschern aus der Schweiz und den USA herausgefunden: ein reichhaltiges Reservoir an genetischen Variationen.

Ökologische Nischen nutzen

Dieses angesammelte Reservoir erlaubte es den Fischen, sich an verschiedenste Umgebungen – sogenannte ökologische Nischen – anzupassen, wie die Wissenschafter im Fachblatt «Nature» berichten. Dieselben Mechanismen seien auch in der Evolution von Menschen und anderen Wirbeltieren am Werk, mutmassen die Forschenden.

«Afrikanische Buntbarsche sind einmalig unter Wirbeltieren in ihrem Artenreichtum und ihren vielfältigen Anpassungen», erklärte Ole Seehausen vom Wasserforschungsinstitut Eawag und der Universität Bern in einer Mitteilung der Eawag. «Wir fragten uns, wie das Buntbarsch-Genom beschaffen ist, um diese Vielfalt an Form und Funktion zu ermöglichen.»

Rasante Artbildung

In den afrikanischen Seen sind über 1500 Buntbarsch-Arten in nur wenigen Millionen Jahren entstanden, die 500 Arten des Viktoriasees sogar nur in 15 000 Jahren. «Das ist die schnellste Artbildung, die bisher bei Wirbeltieren gefunden wurde», sagte Mitautorin Catherine Wagner von der Eawag und der Uni Bern.

Ähnlich schnell hätten sich auch die verschiedenen Felchenarten in den nacheiszeitlichen Alpenrandseen entwickelt, sagte Seehausen. Die Anzahl neu entstandener Arten sei in diesem Fall allerdings wesentlich kleiner.

Für die Studie hat das Forscherteam das gesamte Erbgut von fünf Buntbarsch-Arten sowie dessen Übersetzungsprodukte in zehn Geweben entschlüsselt. Es zeigte sich, dass die Vorfahren dieser Fische in einer Phase ohne grossen Selektionsdruck verschiedenste Typen zufälliger genomischer Variation angehäuft hatten.

Variation zunächst nutzlos

«Damals war diese Variation wohl ziemlich nutzlos; aber sie wurde unglaublich nützlich, als die Fische die ostafrikanischen Seen besiedelten», sagte Seehausen. Dort fanden sie plötzlich vielfältige Nahrungsquellen und Lebensräume vor, was ihnen Gelegenheit für unterschiedliche Anpassungen und damit einen Konkurrenzvorteil bot.

Die Forscher fanden drei Arten von angesammelten Mutationen: Änderungen an einzelnen Stellen im genetischen Code, Verdoppelungen von Genen und sogenannte «hüpfende» Gene, die ihre Position im Erbgut ändern können, wodurch die Erbinformation anders abgelesen wird.

Wie weit die Resultate für die Biodiversität in der Schweiz von Bedeutung sind, will Seehausens Team nun an der Felchen- und Saiblings-Artenvielfalt in Schweizer Seen erkunden.

Biodiversität erhalten

Die Studie belegt laut dem Evolutionsbiologen auch die Bedeutung des Biodiversitätsschutzes. Jedes Genom ist durch seine Geschichte und seine Architektur einzigartig. Es kann benachbarten Arten als Reservoir für Erbgutvarianten dienen, die eine Anpassung an neue Umweltbedingungen erlauben.