Energiewende-Vorreiter erhöht Druck auf Ökostrom-Branche Zu hässlich und zu teuer - Dänemark kippt viele Offshore-Windparks

Offshore-Windpark bei Anholt: Dänemark wird es gerade etwas viel mit den Windrädern
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Windkraft-Vorreiter Dänemark ist sich seiner Sache offenbar nicht mehr ganz so sicher. Die Regierung hat zuletzt eine ganze Reihe geplanter Offshore-Windparks gestrichen. Sie seien zu teuer und zu hässlich - so die offizielle Begründung. Zudem will Kopenhagen die Ökostrom-Umlage kippen, aus der der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert wird.
Die Mitte-Rechts-Regierung in Kopenhagen um Ministerpräsident Lars Loekke Rasmussen verzichtet demnach auf Windkraftanlagen mit einer Kapazität von etwa 350 Megawatt. Zum Vergleich: Ein Atomreaktor hat eine Leistung von mehr als 1000 Megawatt.
Die Rolle rückwärts in Kopenhagen verunsichert die Erneuerbare-Energien-Branche in ganz Europa. Vor allem der Ausbau der Windkraft war zuletzt ohnehin ins Stocken gekommen. Vielerorts, auch in Deutschland, kommt der Netzausbau dem Zuwachs an Rotoren nicht hinterher. Vor allem in Südeuropa haben allgemeine Spar-Erwägungen die Entwicklung gebremst.
"Es darf keinen Strömungsabriss geben, damit sich die Branche weiterentwickeln kann", warnt Windkraft-Experte Michael Baur von der Unternehmensberatung Alix Partners mit Blick auf die Unsicherheiten in Dänemark. Gerade die Offshore-Industrie sei auf Planungssicherheit angewiesen, um die angestrebten Kostensenkungen zu realisieren.
Der Windstrom-Anteil ist in Dänemark bereits auf einen extrem hohen Wert geklettert


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Zu hohe Kosten für die Stromkunden sind ein Argument für den dänischen Energieminister Lars Christian Lilleholt, den Offshore-Ausbau vorerst abzubremsen. Er wolle die Belastungen für die Stromkunden im Griff behalten, begründete er den überraschenden Schritt schon im Mai . Die geplanten Rotoren hätten die Verbraucher knapp eine Milliarde Euro gekostet oder etwa zehn Cent pro erzeugter Kilowattstunde Ökostrom.
Die Anlagen wären allesamt in der Nähe der Küste gebaut worden und somit vom Festland aus gut zu sehen gewesen. Für die Fertigstellung hatte die Regierung das Jahr 2021 angepeilt.
Die Bauvorhaben waren Teil des nationalen Energiekonsenses von 2012. Dieser sieht vor, dass Dänemark ab dem Jahr 2050 ohne fossile Brennstoffe auskommt.
Grundsätzlich könnte Dänemark seiner Politik treu bleiben
Dazu soll die Windkraft weiter ausgebaut werden. Diese deckte 2015 bereits gut 42 Prozent des Strombedarfs (Deutschland: 13 Prozent). "Seit 2012 haben sich die Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien deutlich erhöht", begründete Lilleholt, weshalb die Regierung den Konsens beim Thema Windkraft aufgekündigt habe.
Doch während Vertreter der Windkraft-Industrie mächtig schimpften und Windkraft-Kritiker schon den Anfang vom Ende der Energiewende feierten, zeichnet sich inzwischen ab, dass Dänemark seiner Politik grundsätzlich treu bleiben will. Die küstennahen Windparks sollten durch umso größere Anlagen draußen auf See kompensiert werden, teilte Lilleholt zwischenzeitlich mit.
Der Druck auf die Windenergie-Branche zeigt positive Wirkung


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Tatsächlich sind in Dänemark derzeit zwei große Offshore-Windparks mit zusammen 1000 Megawatt Leistung im Bau und in der Vorbereitung. Kriegers Flak (600 Megawatt) soll nach 2021 in der Ostsee Strom produzieren, Horns Rev 3 (400 Megawatt) schon zwei Jahre früher in der Nordsee. Sie könnten nach ihrer Fertigstellung noch erweitert werden.
Unklar ist allerdings, woher das benötigte Geld kommen soll. Denn zum Jahresende will Kopenhagen auch die steuerähnliche Ökostromumlage kippen. Sie beträgt 11 Prozent für Privatkunden. Industriebetriebe bekommen hohe Nachlässe.
Die EU-Kommission hatte kritisiert, dass nur einheimische Firmen in den Genuss der Rabatte kommen. Ähnliche Bedenken hatte Brüssel mit Blick auf die deutsche EEG-Umlage angemeldet.
Die Regierung hat zuletzt angedeutet, die Milliardenlasten aus dem Haushalt zu finanzieren und notfalls die Einkommensteuern zu erhöhen. Dies dürfte allerdings auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen.
Darben muss die Windkraft-Branche nicht
Derartige Unsicherheiten bereiten der Windbranche Sorgen. "Ein Risiko besteht darin, dass Unternehmen ihr Vertrauen in stabile staatliche Rahmenbedingungen verlieren", sagt AlixPartners-Mann Baur. Um beispielsweise Versorgerschiffe und Kräne gleichmäßig auszulasten, sei ein kontinuierlicher Fluss neuer Aufträge wichtig.
Darben muss die Windindustrie trotz des Rückschlags in Dänemark gleichwohl keinesfalls. In den Niederlanden, Belgien aber auch Deutschland, Großbritannien und Frankreich sind große Rotorenparks im Bau und in der Planung. Für Konzerne wie Siemens oder General Electric wird die Windkraft ein immer wichtigerer Gewinnbringer.
Der allgemein wachsende Druck durch Wettbewerb und Politiker (wie in Dänemark) zeigt indes bereits positive Folgen. Ausschreibungen haben zuletzt vielerorts dazu geführt, dass Strom aus Windrädern auf See schon deutlich billiger geworden ist.
Im Juli gewann der dänische Versorger Dong einen Wettbewerb in den Niederlanden, bei dem er lediglich einen Preis von gut sieben Cent pro Megawattstunde verlangte . Das ist deutlich weniger als beispielsweise für Strom aus dem geplanten Atomkraftwerk Hinkley Point in England fällig würde. Entscheidet sich London für den Bau der Reaktoren , würde eine Kilowattstunde Atomstrom mehr als elf Cent kosten.