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Knatsch in der Großen Koalition Seehofer ermuntert SPD zum Koalitionsbruch

Der Schlagabtausch in der Großen Koalition wird immer heftiger: Wolfgang Schäuble attackiert im SPIEGEL den Kanzlerkandidaten der SPD - die spricht von einer "inakzeptablen Entgleisung". CSU-Chef Horst Seehofer empfiehlt den Sozialdemokraten, doch aus der Regierung auszusteigen.

Berlin - Wolfgang Schäuble räumt im SPIEGEL ein, die Union befinde sich in einer schwierigen Lage - gleichzeitig forciert er seine Angriffe auf den Koalitionspartner. Den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier warf er vor, "irgendwelchen Unsinn" zu fordern.

Hintergrund des Streits ist ein Auftritt Steinmeiers Ende Februar vor 15.000 Opel-Mitarbeitern in Rüsselsheim. In diesem Zusammenhang hatte Schäuble Steinmeier bereits versuchten Betrug vorgeworfen. Im SPIEGEL legte er nun nach: Steinmeier habe versucht, den Arbeitnehmern vorzugaukeln, der Staat könne ihre Probleme lösen.

Seehofer in Erlangen: "Reine Pöbelei"

Seehofer in Erlangen: "Reine Pöbelei"

Foto: DPA

"Die Bundesregierung wird durch Steinmeier nicht festgelegt", so Schäuble im Interview. "Wenn Herr Steinmeier irgendwelchen Unsinn fordert, sind wir geradezu verpflichtet, diesen Unsinn zu verhindern."

Die SPD wies die Angriffe zurück. In einer der "Bild"-Zeitung vorliegenden Erklärung der SPD-Parteiführung hieß es: "Die Äußerungen des Bundesinnenministers sind eine inakzeptable Entgleisung." Es sei zu hoffen, dass das "für die Union nicht stilprägend" werde - "jetzt nicht, und nicht im Wahlkampf, der im Sommer beginnt". Steinmeier habe den Arbeitern in Rüsselsheim gerade keine unhaltbaren Versprechungen gemacht, sondern Verantwortung der Politik in der Opel-Krise gezeigt.

Seehofer wirft SPD Pöbelei vor

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte auf einer Delegiertenversammlung seiner Partei in Erlangen, wenn es der SPD in der Koalition nicht mehr gefalle, "soll sie aussteigen". Weiter sagte er: "An der CSU soll es nicht liegen." Seehofer reagierte damit auf die - wie er sagte - "reine Pöbelei" aus den Reihen des Berliner Koalitionspartners.

Scharf attackierte der CSU-Vorsitzende Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wegen dessen ablehnender Haltung zur Forderung nach einem reduzierten Mehrwertsteuersatz für bestimmte Branchen.

Auf europäischer Ebene habe Steinbrück der Möglichkeit zur Staffelung der Mehrwertsteuersätze zugestimmt, und in Deutschland wehre er entsprechende Vorschläge ab. "Es wird eine Mehrwertsteuer-Strukturreform geben", sagte Seehofer.

Clinch zwischen Kanzleramt und Tiefensee schwelt weiter

Der Streit in der Großen Koalition ging auch zwischen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) in die nächste Runde.

Tiefensee warf de Maizière vor, sich bei der Debatte um die Bahn-Privatisierung in seinen Verantwortungsbereich eingemischt zu haben. Dieser sollte eher seine Aufgabe als Koordinator der Bundesregierung wahrnehmen, sagte Tiefensee der "Sächsischen Zeitung". "Er müsste eigentlich zusammenführen und voranbringen. Das hat zuletzt offenkundig nicht geklappt." Als Beispiele nannte er die Verabschiedung des Umweltgesetzbuches und die dringend notwendige Neuorganisation der Job-Center, die durch mangelnde Abstimmung in der Union vor die Wand gefahren seien. "Das wäre Frank-Walter Steinmeier in seiner früheren Funktion nicht passiert", sagte Tiefensee. Der Verkehrsminister bekräftigte erneut sein gestörtes Vertrauensverhältnis zu Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Er halte es für richtig, so Tiefensee, die Teilprivatisierung der Bahn in der nächsten Legislaturperiode nicht weiter zu verfolgen.

In der vergangenen Woche hatte das Kanzleramt den umstrittenen Konzernchef ausdrücklich gegen Attacken von Tiefensee in Schutz genommen und das Kabinettsmitglied öffentlich gerüffelt.

itz/AP

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