Tuesday, November 08, 2005

Konzertrezension: Klangwelten-Festival in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn am 8.11.2005

Konzertrezension: Klangwelten-Festival in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn am 8.11.2005

Rüdiger Oppermanns Klangwelten-Festival tourt dieses Jahr nun schon zum 19. Mal durch Deutschland, für mich indes war es eine Premiere, es einmal zu besuchen. Oppermanns Dialekt kam mir als im Rhein-Lahn-Kreis Aufgewachsenem sehr heimatlich-vertraut vor, hatte er doch den hessischen Einschlag, der auch in meiner Kindheitsheimat ansatzweise durchzuhören ist, die an diesem Abend zu hörende Musik aber war alles andere als heimatlich und vertraut, sondern exotisch, ungewohnt und meisterhaft schön. Und das, obwohl zwei Fünftel der angekündigten Musiker bzw. Acts nicht anwesend waren. Das inuitische (gibt es das Adjektiv überhaupt?) Katajaq Duo aus Kanada war wegen Krankheit verhindert, die deren Gesang auch beherrschende und als Ersatz angekündigte Toni Pope aus San Fransisco war wieder abgereist, weil ihre Großmutter gestorben war, und die kasachische Sängerin Uljana Baibusjnova war auch nicht da. Nun kündigte Oppermann an, dass die Inuit-Frauen doch noch kämen, aber erst am nächsten Tag, und wer sie hören wolle, dürfe mit dem Bonner Ticket zum halben Preis ein beliebiges anderes Klangwelten-Konzert dieser Tour besuchen.

Anwesend waren aber Rüdiger Oppermann selber, das Ranga Panga Trio aus Madagaskar, benannt nach einem Reiswassergetränk ihrer Heimat, der indische, in Wien lebende Trommler Jatinder Thakur, und nicht angekündigt und Irish Spring Festival-Besuchern bekannt – nein, kein Ire, sondern – Enkh Jargal, besser bekannt als Epi, aus der Mongolei, aber wohnhaft in Karlsruhe. Oppermann erklärte ein wenig, was es mit der jeweiligen Musik und den Instrumenten auf sich habe, aber übertrieb es damit nicht, denn es war weder eine musikwissenschaftliche Vorlesung, noch eine musikethnologische Museumsführung, sondern ein Konzert, bei dem die Musik absolut im Mittelpunkt stand. Das kleine Programmheftchen aber gibt umfangreiche Auskunft. Madagaskar soll musikalisch und auch sonst kulturell viel von indonesischem Erbe bewahrt haben und weniger von afrikanischem, aber die Musik des Ranga Panga Trios mit Monjamahafay Zeze (kurz Monja), Sammy Andriamalalaharijaona Samoela und Jean Bosco Rakotonirina kam meinem Gehör sehr afrikanisch vor, wohl weil sie von der mehr afrikanisch beeinflussten Südküste der Insel stammen. Mehrstimmiger Gesang, im besten Sinne es Wortes merk-würdige Saiteninstrumente (z.B. die Maro-Vaani, ein Kasten mit an zwei Seiten angebrachten Fahrrad-Bowden-Zug-Saiten, die Vailiha, ein runder Bambusstamm (oder sagt man „Bambushalm“, da es doch ein Gras ist?) mit aus diesem herausgeschnittenen Saiten rundherum, die Jejy Voatavo, ein schmaler Kasten mit Saiten an allen vier Seiten und einem Kürbis als Klangkörper und die Jeji Iava, ein Baum oder ein Ast mit gespannten Basssaiten und Tonabnehmer), ein Blasinstrument, ein sehr einfaches Percussionsinstrument, nämlich ein Büschel trockenen Grases. Das alles zusammen klang arachaisch und hochmodern zugleich, besonders auch, wenn der Gesang durch ein eingeatmetes Jiha oder durch ein Hahnenkrähen ergänzt wurde. Epi spielte seine mongolische Pferdekopfkniegeige und sang in Unter- , Ober- und normalen Tönen mongolische und kasachische Lieder, so dass man akustisch und gefühlsmäßig vom madagassischen Urwald in die zentralasiatische Steppe wechselte. Thakur bewies sich als rasanter Tablavirtuose, dass es nur so staubte (er hatte die Trommelfelle mit Talk eingepudert), aber auch als Stimmenpercussionist, denn nach indischer Tradition lernt man die Trommelpartien durch gesungene Parteien eben der selben, und Oppermann spielte einige Tunes auf einer großen und einer kleinen keltische Harfe, teilweise mit elektronischen Loops, Echos usw. gedehnt und wiederholt. Und wenn das dann alles zusammen erklang, also nicht ordentlich ethnologisch und geographisch getrennt, sondern crossover vermischt, ohne dass die Eigenarten der jeweiligen Stile (zumindest für meine Ohren) verloren gingen, dann wurde daraus das, was ich eigentlich als „Weltmusik“ bezeichne: multiethnische, jazzige-jam-session-mäßige, traditions-innovative, mitreißende Arrangements, die die Halle zum Beben brachten. Interessant war dabei auch ein auf der Harfe statt einer Sitar gespielter Raga mit Tablabegleitung.

Fazit: Die Klangwelten sind nichts für Puristen und nichts für Leute, die vorher schon wissen wollen, was sie erwartet, aber sehr zu empfehlen für Liebhaber experimentierender musikalischer Vielfalt, die ihre traditionellen Wurzeln zwar kräftig gedehnt, aber noch nicht aus dem Boden gerissen hat.

http://www.klangwelten.com/
http://www.folker.de/200406/07opper.htm

MAS