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Vorwurf der Vetternwirtschaft FDP-Basis meutert gegen Niebel

Entwicklungsminister Dirk Niebel gerät wegen seiner Personalpolitik jetzt auch intern in die Kritik. Der FDP-Politiker hatte einer Parteifreundin einen Job besorgt - so sieht es die empörte Basis. Manche Liberale legen aus Protest ihre Ämter nieder.
FDP-Entwicklungsminister Niebel: Im Verdacht, einer Parteifreundin geholfen zu haben

FDP-Entwicklungsminister Niebel: Im Verdacht, einer Parteifreundin geholfen zu haben

Foto: Thomas Niedermueller/ Getty Images

Berlin - Dirk Niebel war gerade in Laos, zuvor in Burma. Dort war der Liberale der erste deutsche Minister seit fast drei Jahrzehnten, der das Land aufsuchte. Es waren historische Bilder vom gemeinsamen Treffen mit Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. So sieht sich Niebel am liebsten - als eine Art Nebenaußenminister.

Zu Hause wirkt sein Bild weniger strahlend. Der Mann ist dabei, einen Teil der seit zwei Jahren erarbeiteten Reputation zu verspielen. Nicht nur die Opposition hat sich auf ihn eingeschossen, was Fallschirmjäger Niebel noch verschmerzen dürfte. Nun rebellieren auch Teile der FDP-Basis in Baden-Württemberg, seinem eigenen Landesverband. Der Grund: die bemerkenswerte Personalpolitik in seinem Ministerium.

Der Ärger an der Basis entzündet sich an einem Namen: Gabriela Büssemaker. Niebel machte die FDP-Frau jüngst zur Geschäftsführerin der Engagement Global, einer GmbH in Bonn, die seinem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe (BMZ) zugeordnet ist.

"Wir stehen bei gefühlten minus zwei Prozent"

Büssemaker war noch im vergangenen Jahr Oberbürgermeisterin in Ettlingen, einer 30.000 Einwohner zählenden Stadt südlich von Karlsruhe, und dort wegen ihrer Amtsführung umstritten. Seit der Übernahme Büssemakers wird Niebel nun den Vorwurf nicht mehr los, Vetternwirtschaft betrieben zu haben. Aus Protest trat an Büssemakers früherer Wirkungsstätte der FDP-Kommunalpolitiker Uwe Künzel aus der Fraktion aus. "Der Fall Büssemaker hat bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt er. "Wir stehen als Liberale bei gefühlten minus zwei Prozent, da kann sich eine Partei eine solche Personalentscheidung nicht leisten", ärgert sich der FDP-Mann aus Ettlingen.

Auch Rudolf Döring, der Büssemakers Stuhl im Kreistag des Landkreises Karlsruhe einnahm, ließ seine Parteifunktionen wegen der Personalie ruhen. Dirk Niebel schrieb dem Parteifreund, einem Bruder des früheren Landesvorsitzenden Walter Döring, sogar einen erklärenden Brief. Doch Döring bleibt hart. Besonders empört den Liberalen, dass sich niemand - weder die Personalagentur noch das Ministerium - vor Ort nach den Fähigkeiten von Frau Büssemaker erkundigt hatte. "Da hätten wir zumindest ein großes Fragezeichen zurückgesandt", sagt er. Büssemaker musste in ihrer Amtszeit einen Strafbefehl wegen Vorteilsnahme zahlen, schließlich leistete sie sich einen skurrilen Streit mit ihrem Vizebürgermeister.

"Frau Büssemakers Kompetenz für Entwicklungspolitik ist uns auf jeden Fall verborgen geblieben", so Döring. Zuletzt ließ der komplette FDP-Ortsverband Karlsbad/Marxzell seine Ämter ruhen. Dessen Vorsitzender Siegfried Heidel verkündete, gerade eine liberale Partei müsse "auf allen Ebenen den Anschein von rechtstaatlich bedenklichen Verfahren vermeiden".

Merkwürdiges Verfahren

Im Mittelpunkt der Kritik steht der Auswahlmodus. Unter 133 Bewerbern kam Büssemaker unter die letzten drei, aus denen Niebel sie schließlich auswählte. "Ich kannte sie, sie war die Geeigneteste, und ich kann mit ihr arbeiten", lautet seine Begründung.

"Es hat schon mehr als ein Geschmäckle, wenn Frau Büssemaker aus einem gut gepolsterten Stuhl als Oberbürgermeisterin auf eine Stelle im Ministerium von Herrn Niebel wechselt. Das kommt bei Bürgern gar nicht gut an - und verstärkt die Politiker-Verdrossenheit", sagt hingegen der Liberale Döring. Niebel kennt Büssemaker schon lange; als eine Koalition aus FDP, Grünen und SPD 2003 in Ettlingen eine gemeinsame Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl suchte, war er im Hintergrund mit dabei. "Auf Hinweis von Herrn Niebel haben wir Frau Büssemaker präsentieren können", erinnert sich Döring.

Büssemakers Weg aus Ettlingen auf die Geschäftsführer-Stelle der Global Engagement in Bonn ist von allerlei Merkwürdigkeiten umrahmt. Der Verdacht: Die Stellenbesetzung war von Anfang an ausgemacht. Im Herbst vergangenen Jahres, vor Beginn des Bewerbungsverfahrens, gab sie einer regionalen Zeitung ein Interview und sprach von einer spannenden Stelle, die sie demnächst antreten werde, über die sie jedoch mit Rücksicht auf ihren Arbeitgeber nicht sprechen dürfe. Erst vor kurzem, als ihre Personalie hochkam, stellte sie klar, es habe sich bei ihrer Äußerung um eine Stelle in der freien Wirtschaft gehandelt.

"Wenn das stimmt, wird es für Niebel sehr eng"

Doch an dieser Version wird in Berlin gezweifelt. Seit Wochen müssen sich Niebel und sein Ministerium daher Fragen der Opposition im Bundestag zum Fall erwehren. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe stellte sogar Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin - wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Die externe Personalagentur Heimeier und Partner hatte rund 60.000 Euro für das Verfahren bekommen. Raabe vermutet, die Personalie sei seit langem zwischen Niebel und Büssemaker abgesprochen gewesen. "Wenn das stimmt, wird es für Niebel sehr eng", sagt er.

Jüngst musste sich Niebels Staatssekretärin Gudrun Kopp, ebenfalls FDP, nach einer Fragestunde im Bundestag korrigieren. Hatte sie doch zunächst erklärt, der Personalrat des Bundesministeriums sei an der Auswahlkommission beteiligt gewesen, so stellte sich das als falsch heraus. Die entsprechende Unterlage habe ihr in der Fragestunde nicht vorgelegen. Eine Beteiligung, schrieb sie an den SPD-Abgeordneten Raabe, erfolgte nicht, da sie "rechtlich nicht geboten war".

So saßen in der Auswahlkommission in der Schlussrunde vier Mitarbeiter des BMZ, als Moderator zudem der Geschäftsführer der Personalagentur Heimeier und Partner. Offenbar konnte da nichts mehr schiefgehen: Mit einem Abteilungsleiter (einst Mitglied der FDP-Grundsatzkommission) und einem Unterabteilungsleiter (Vorsitzender eines FDP-Kreisverbands) war das Gremium mindestens zur Hälfte mit FDP-Mitgliedern besetzt.