Politik

Die Mutter der "Terror-Familie" Wer ist Beate Zschäpe?

Zschäpe während der Zeit im Untergrund.

Zschäpe während der Zeit im Untergrund.

(Foto: BKA)

Gegen Beate Zschäpe wird Anklage erhoben, weil die Bundesanwaltschaft sie als Mittäterin bei sämtlichen Anschlägen der "Zwickauer Zelle" einstuft. Die Rede ist von einer Arbeitsteilung innerhalb der Terrorgruppe. Zschäpe kommt dabei offenbar eine besondere Rolle zu.

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wahrscheinlich 2009

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wahrscheinlich 2009

(Foto: BKA)

Sie waren eine richtige Familie, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Zschäpe war die Ehefrau, so beschreiben es Beobachter, nur eben von zwei Männern. Die Bundesanwaltschaft sieht die inzwischen 37-Jährige jedoch nicht als harmloses Heimchen am Herd, sondern als gleichberechtigtes Mitglied der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund". Mit allen Konsequenzen.

Zschäpe, so argumentiert die Anklage, hatte "die unverzichtbare Aufgabe, dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität und Legalität zu geben". Sie habe für die "unauffällige Fassade" gesorgt, ohne die der jahrelange Terror aus dem Untergrund nicht möglich gewesen wäre.

Sie habe das Geld der Gruppe verwaltet und dabei geholfen, gefälschte Dokumente und mindestens eine Waffe zu beschaffen. "Die NSU-Mitglieder verstanden sich als einheitliches Tötungskommando, das seine feigen Mordanschläge aus rassistischen und staatsfeindlichen Motiven arbeitsteilig verübte", sagt Generalbundesanwalt Harald Range.

Schwieriger Start

Dem Konstrukt der NSU mag das juristisch nahekommen, verständlicher wird die Beziehung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt deshalb kaum. Anders als die beiden Uwes stammt Zschäpe aus schwierigen familiären Verhältnissen. Sie ist kein Wunschkind, ihre Mutter bemerkt die Schwangerschaft erst, als die Wehen einsetzen. Ihr Vater, wahrscheinlich ein rumänischer Studienkollege, erkennt die Vaterschaft bis zu seinem Tod im Jahr 2000 nicht an. Zschäpes Mutter überlässt die Tochter der Oma, um ihr Zahnmedizin-Studium in Bukarest fortzusetzen. Später wird Zschäpe aussagen, sie sei ein "Oma-Kind" gewesen.

Dazu trägt bei, dass die Beziehungen der Mutter selten lange halten. Immer wieder ziehen Mutter und Tochter um. Zschäpe wechselt in den ersten drei Lebensjahren dreimal den Nachnamen. Auf der Flucht wird sie eine Vielzahl von Aliasnamen benutzen, unter anderem nennt sie sich Susann Eminger, Susann Dienelt, Lisa Dienelt, Liese Pohl und Mandy Struck. Sie scheint diese verschiedenen Identitäten sehr routiniert auseinandergehalten zu haben.

Zschäpe ist ein Teenager, als die DDR untergeht und mit ihr alte Werte und Gewissheiten. Sie will Kindergärtnerin werden, doch das klappt nicht. Also schlägt sie sich mit Hilfsarbeiten durch, macht dann doch noch eine Gärtnerlehre. Doch auch danach wechseln sich nur Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Gelegenheitsjobs ab.

Gemeinsame Jugend

Ein Schlüsselereignis in Zschäpes Leben ist die Begegnung mit Uwe Mundlos. Sie verliebt sich in den Professorensohn. Gemeinsam geraten sie in den Dunstkreis der Neonazis. Der Jenaer Sozialarbeiter Thomas Grund, der Zschäpe aus dem Jugendklub "Hugo" in Jena-Winzerla kennt, erinnert sich, dass die junge Frau zunächst ohne politische Ambitionen gewesen sei, sich dann aber mehr und mehr radikalisiert habe. Irgendwann sei sie nicht mehr gekommen. Stattdessen verkehrt sie nun im sogenannten "Braunen Haus" in Altlobeda.

Die naive Mitläuferin ist Zschäpe wohl schon damals nicht. Zwar verweigert sie den typischen Nazi-Look jener Jahre, trägt weder Bomberjacke und Springerstiefel noch die Haare raspelkurz. Dem Jenaer Jugendpfarrer Lothar König ist sie dennoch wegen ihrer heftigen Übergriffe, besonders auf Frauen, in Erinnerung. Sie meldet politische Demonstrationen in Jena an. Ein Motto lautet: "Zur Bewahrung Thüringer Identität, gegen die Internationalisierung der EG". Sie ist auch nicht zimperlich, wenn es bei regelrechten Hetzjagden auf linke Jugendliche oder vietnamesische Zigarettenverkäufer zur Sache geht.

Komplizierte Liebesverhältnisse

Als Mundlos zur Armee muss, verliebt sich Zschäpe in seinen Freund Böhnhardt. Ganz eindeutig sind die Verhältnisse jedoch nicht, Zschäpe werden immer wieder auch andere sexuelle Beziehungen in der rechten Szene nachgesagt. Dies tut jedoch der Verbindung Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt keinen Abbruch. Eifersucht soll nie eine Rolle gespielt haben. Mundlos sucht weiter ihre Nähe. Von anderen werden sie als "Ménage à trois" wahrgenommen. Ihren Zwickauer Nachbarn erzählt sie, sie wohne mit ihrem Freund und dessen Bruder zusammen.

Nach der Hausdurchsuchung 1998 und dem damit verbundenen Ermittlungsverfahren wegen der Versendung von Briefbombenattrappen an die "Thüringer Landeszeitung", die Stadtverwaltung und die Polizeidirektion Jena, tauchen die drei gemeinsam unter. 23 Jahre ist Zschäpe zu diesem Zeitpunkt. Nun übernimmt sie die nach Ansicht der Ankläger "unverzichtbare Aufgabe", dem Leben des Trios den Anschein von  Normalität und Legalität zu geben. Sie habe mit der unauffälligen Fassade den Rückzugsort des NSU gesichert.

Nachbarn beschreiben sie als freundlich und offen, sie lädt auch mal zu Wein und Pizza ein,  ist kinderlieb und sehr besorgt um ihre Katzen. Sie wäscht und kocht, leiht regelmäßig Videos aus, besorgt den Männern Brillen. Zschäpe organisiert offenbar jedoch weit mehr als den Alltag, sie sucht Unterkünfte in der Nähe von Überfallzielen und Anschlagsorten, sie mietet die Campingmobile, die als Fluchtfahrzeuge dienen. Sie archiviert Artikel, in denen über die Morde berichtet wird. Nachdem sich Mundlos und Böhnhardt unter dem Fahndungsdruck nach dem Banküberfall in Eisenach selbst getötet haben, ruft Zschäpe die Familien beider an, um sie zu informieren.

Am Ende verschickt sie, schon auf der Flucht, das zynische Bekennervideo der Terror-Zelle. Die Generalbundesanwaltschaft sieht in ihr den "emotionalen Mittelpunkt dieser Gruppe". Wenn Mundlos das Hirn war, Böhnhardt das ausführende Werkzeug, dann war sie wohl die Mutter dieser seltsamen und höchst gewaltbereiten Gruppe, die Zschäpe nach ihrer Festnahme als ihre Familie beschreibt.

Quelle: ntv.de

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