Noch fliegt oder fährt er nicht, der neue deutsch-französische Super-Kampfjet für die Luftwaffe oder der gemeinsame Kampfpanzer für das Heer – da gibt es schon eine weitere Idee für noch ein Milliardenprojekt. Diesmal für die Marine: Den Bau eines Flugzeugträgers.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat den spektakulären Vorschlag in ihrer Antwort auf die Europa-Pläne von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in ihrem in WELT AM SONNTAG veröffentlichten Text in einer kurzen Passage versteckt.
Wörtlich heißt es: „Bereits jetzt arbeiten Deutschland und Frankreich gemeinsam am Projekt eines europäischen Kampfflugzeugs der Zukunft, andere Nationen sind zur Teilnahme eingeladen. Im nächsten Schritt könnten wir mit dem symbolischen Projekt des Baus eines gemeinsamen europäischen Flugzeugträgers beginnen, um der globalen Rolle der Europäischen Union als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck zu verleihen.“
Die CDU-Vorsitzende lässt offen, was sie sich unter dem Projekt genau vorstellt. In technischer, finanzieller und sicherheitspolitischer Hinsicht. Etwa ein neues Schwergewicht in der Klasse von Frankreichs einzigem Flugzeugträger Charles de Gaulle mit Atomantrieb und Platz für 40 Kampfjets oder lieber konventionell angetrieben, wie das neue Modell von Großbritannien?
Auch Italien und Spanien haben schwimmende Plattformen – aber in etwas kleineren Dimensionen. Und für welche Missionen auf welchen Weltmeeren soll der Euro-Flugzeugträger überhaupt eingesetzt werden? Darauf gibt es bislang noch keine Antworten.
Merkel unterstützt den Vorstoß
Zwar bekam die CDU-Vorsitzende von Bundeskanzlerin Angela Merkel jüngst Rückendeckung bei dem Projekt. „Dass wir von europäischer Seite über eine solche Ausrüstung verfügen, finde ich richtig und gut“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie sei bereit, bei einem solchen Projekt mitzumachen. Aber es gibt auch Vorbehalte und Kritik.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Ex-Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger, hat jedenfalls eine klare Antwort parat. Per Twitter verweist er darauf, dass ein Flugzeugträger „ein Instrument geopol./militärischer Machtprojektion“ sei.
Eine Einsatz-Voraussetzung wäre eine gemeinsame Strategie sowie ein zielgerichteter Entscheidungsmechanismus, schreibt er. Dann folgt sein vernichtendes Urteil: „Fuer D Lichtjahre entfernt!“, twittert er, also für Deutschland derzeit kein Thema.
Auch die Militärexpertin Ulrike Franke von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations twittert dazu und spricht von einem nicht besonders gut durchdachten Vorschlag. „Viel Glück, dafür Geld von den Deutschen zu bekommen“, lautet ihr Kommentar.
In Branchenkreisen wird auf den Widerspruch verwiesen, dass Deutschlands und Europas Rüstungsindustrie gerade Alarmsignale wegen der restriktiven Rüstungsexportfreigabe im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien aussendet.
Dies könnte den von Airbus und Dassault gemeinsam geplanten nächsten Kampfjetprojekt (FCAS) oder den von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter vorgesehenen gemeinsamen Kampfpanzer sogar gefährden. Wer hat dann bei einem deutsch-französischen oder europäischen Flugzeugträger die Befehlsgewalt, lautet eine der vielen Schlüsselfragen.
Ein Flugzeugträger reicht nicht aus
Auffällig ist, dass der Vorschlag genau in einer Phase erfolgt, in der Paris einen neuen Flugzeugträger plant, der etwa 2030 in Dienst gestellt werden könnte. Es wäre der Ersatz für das 2001 in Dienst gestellte aktuelle Modell Charles de Gaulle mit etwa 1.950 Personen Besatzung, 262 Meter Länge, 42.500 Tonnen Wasserverdrängung und zwei Druckwasserreaktoren. Die Kosten für das Nachfolgemodell werden auf etwa 4,5 Milliarden Euro taxiert – ohne Flugzeuge.
Dabei gilt bei Marineexperten die Regel, dass nur ein Flugzeugträger für eine Nation eigentlich nicht ausreicht, weil der immer wieder über Monate für Wartungsarbeiten in die Werft muss und dann nicht einsatzbereit ist.
So gab es jüngst eine 18-monatige Wartungspause für Frankreichs Flugzeugträger, weil die Brennstäbe des Atomantriebs gewechselt werden mussten. Allein dieser Werftaufenthalt soll etwa eine Milliarde Euro gekostet haben.
Um immer ein Modell einsatzbereit zu haben, wären eigentlich zwei Flugzeugträger sinnvoller, heißt es bei französischen Militärexperten. Gleich zwei Mal neu bauen würde vor allem dem mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Marinekonzern Naval Group Riesenaufträge bescheren. An der Konzernspitze steht der ehemalige Airbus-Spitzenmanager Hervé Guillou.
Neuer Flugzeugträger sollte zu neuen Kampfjets passen
In Militärkreisen wird darauf verwiesen, dass auf dem Zukunfts-Flugzeugträger dann das künftige deutsch-französische Kampfflugzeug (FCAS) landen könnte, dessen genaue Auslegung derzeit diskutiert wird. Es wäre sinnvoll, den neuen Kampfjet mit der Technik des neuen französischen oder Euro-Flugzeugträgers abzustimmen. Schließlich gibt es große Unterschiede, was die schwimmenden Plattformen leisten können.
Entweder starten Kampfjets per Katapultstart (Charles de Gaulle) oder es gibt eine Art Sprungschanze, wie auf dem neuen britischen Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth, der 2021 einsatzbereit sein soll. Es ist derzeit Europas modernster und mit etwa 65.600 Tonnen Wasserverdrängung und 284 Meter Länge auch größter Flugzeugträger.
Die Briten bauen bereits parallel am zweiten Modell. Experten sprechen von der STOVL-Klasse, weil auf diesen schwimmenden Plattformen auch Kampfjets mit Kurzstartfähigkeiten und Senkrecht-Landung möglich sind. So stehen auf dem Deck der Briten das US-Kampfflugzeug F-35B oder auch Hubschrauber.
Italiens Flugzeugträger Cavour, der seit zehn Jahren im Einsatz ist, oder Spaniens Modell Juan Carlos gehören auch in diese STOVL-Klasse, also Mehrzweckflugzeugträger, auf dem Hubschrauber landen können, aber auch das US-Modell F-35B.
Auch die USA planen neue Flugzeugträger
Jede Flugzeugträgerentscheidung hängt also auch davon ab, von welchen Modellen er genutzt werden soll. So gibt es beispielsweise eine Marine-Version des französischen Kampfjets Rafale, während der Eurofighter mit den Kernnationen Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien auf keinem Flugzeugträger landen kann, weil sich die beteiligten Nationen nie auf eine Marine-Version einigen konnten. Dies soll sich bei dem deutsch-französischen Nachfolgemuster FCAS ändern.
Die Liste der weltweit geplanten neuen Flugzeugträger zeigt, dass die Militärs an dem grundlegenden Konzept der großen schweren schwimmenden Plattformen nicht zweifeln. Die USA planen weitere milliardenteure Flugzeugträger mit Nuklearantrieb und auch von Russland tauchen neue Konzepte auf.
Indien, Südkorea und vor allem China treiben ebenso Projekte voran. Auch die Türkei schweißt seit 2016 an ihrem eigenen Flugzeugträger TGG Anadolu, der sich an spanischen Bauplänen orientiert. Das 232 Meter lange Modell wird als Mehrzwecksturmschiff bezeichnet.
Die TCG Anadolu werde in Kürze vom Stapel laufen, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Zwischen Berlin und Paris wird währenddessen noch lange verhandelt, wie das gemeinsame Projekt aussehen könnte und ob es überhaupt zustande kommt.