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Bayerische Justizaffäre Staatsanwaltschaft prüfte Fall Mollath schon 2011

Sitzt Gustl Mollath seit sieben Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie? Im Fall des Nürnberger Geschäftsmanns häufen sich die Ungereimtheiten. Nun kommt heraus: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth und das bayerische Justizministerium waren schon vor mehr als einem Jahr mit der Angelegenheit befasst.
Gustl Mollath: Bereits 2011 gab es Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Bayreuth

Gustl Mollath: Bereits 2011 gab es Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Bayreuth

Foto: SWR/ Report Mainz

Im Fall Gustl Mollath, der womöglich seit sieben Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie sitzt, spricht selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) inzwischen von "Zweifeln und Merkwürdigkeiten". Auf seine Justizministerin Beate Merk aber lässt er nichts kommen. Dabei häufen sich die Ungereimtheiten.

Merk hatte zunächst mehrfach betont, es seien im Verfahren Mollath keine Fehler gemacht worden. Der Mann sei gefährlich und sitze zu Recht in der Psychiatrie. Am vergangenen Freitag kündigte die CSU-Politikerin dann an, den Fall des 56 Jahre alten Mollath aufgrund von neuen Hinweisen auf mögliche Ungereimtheiten komplett neu aufrollen zu lassen.

Jetzt kommt heraus: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth und das Justizministerium waren schon vor mehr als einem Jahr mit dem Fall befasst.

Seit wenigen Wochen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bayreuth offiziell "wegen mehrerer in Frage kommender Delikte, unter anderem wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung gegen unbekannt". Hintergrund ist angeblich eine Strafanzeige gegen die mit dem Verfahren befassten Richter und Sachverständigen, die am 23. November bei der Staatsanwaltschaft einging.

Dazu sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" am 30. November, da die Bayreuther Staatsanwaltschaft mit der Sache Mollath bislang nie befasst gewesen sei, müsse sie zunächst umfangreiches Aktenmaterial sichten. Entsprechende Akten seien inzwischen angefordert worden. SPIEGEL ONLINE sagte Janovsky jetzt, er sei unzureichend zitiert worden, seine Äußerungen hätten sich auf den Komplex HypoVereinsbank bezogen, in dem Mollath über Schwarzgeldzahlungen nachweislich die Wahrheit gesagt hatte.

Verfahren eingestellt, Beschwerde abgewiesen

Tatsächlich hatte sich die Justiz bereits 2011 mit Vorwürfen der Freiheitsberaubung im Fall Mollath beschäftigt. Wie aus einem Schriftwechsel des Bayerischen Justizministeriums hervorgeht, hatte die Staatsanwaltschaft vor mehr als einem Jahr die Causa Mollath geprüft. Es gibt sogar ein Aktenzeichen: Gz. 260 Js 4813/11. In dem Fall geht es um eine Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die beiden psychiatrischen Gutachter Klaus Leipziger und Friedemann Pfäfflin. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth hatte das Verfahren damals eingestellt.

Damit aber wollte sich der Erstatter der Anzeige nicht zufriedengeben. Er legte Beschwerde ein und schrieb schließlich an Justizministerin Beate Merk. Doch auch dort blitzte er ab. Aus dem Ministerium hieß es zuletzt am 3. Mai, man habe "aufgrund Ihrer weiteren Aufsichtsbeschwerde vom 6. Oktober 2011 die Sachbehandlung der Staatsanwaltschaft Bayreuth dienstaufsichtlich überprüft". Neue Erkenntnisse habe man dabei nicht gewonnen. Der Beschwerdeführer möge Verständnis dafür haben, "dass weitere Schreiben ohne neuen Sachvortrag nicht mehr beantwortet werden können".

Staatsanwaltschaft und Justizministerium kannten den Fall also sehr wohl und hatten sich auch ausführlich damit beschäftigt. Damals aber waren sie - bei gleicher Sachlage - noch zu ganz anderen Einschätzungen gekommen.

Gustl Mollath sitzt seit Februar 2006 in der geschlossenen psychiatrischen Forensik des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Nach tätlichen Angriffen auf seine inzwischen geschiedene Frau und dem Zerstechen von Autoreifen hatte das Landgericht Nürnberg den Geschäftsmann zwangseingewiesen.

Brisant ist der Fall, weil Mollath 2003 - nachdem er bereits angeklagt worden war - seine bei der HypoVereinsbank beschäftigte Frau, weitere HVB-Mitarbeiter und 24 Kunden beschuldigte, in Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe verwickelt zu sein. Die Vorwürfe stimmen offensichtlich, in dem Verfahren zu seiner Einweisung wurde ihm jedoch unter anderem wegen dieser Behauptungen eine paranoide Gedankenwelt unterstellt.

Es gibt Hinweise auf Versäumnisse in dem Verfahren. Einem Bericht der "Nürnberger Nachrichten" zufolge hatte Mollath 2004 bei den Finanzbehörden in Nürnberg seine Frau und weitere Bankmitarbeiter wegen der illegalen Geschäfte angezeigt. Der damals gegen Mollath verhandelnde Richter soll aber bei den Finanzbehörden angerufen und mit dem Hinweis auf Mollaths Geisteszustand interveniert haben. Die Finanzbehörden legten die Anzeige zu den Akten.