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Wirtschaft Rösler-Forderung

Pharmaindustrie soll geheime Studien offenlegen

Philipp Rösler: Er legt sich wieder mit der Pharmabranche an Philipp Rösler: Er legt sich wieder mit der Pharmabranche an
Philipp Rösler: Er legt sich wieder mit der Pharmabranche an
Quelle: dpa
Philipp Rösler (FDP) nimmt mal wieder die Pharmaindustrie ins Visier: Die Branche soll endlich klinische Studien über die Wirkung ihrer Arzneimittel veröffentlichen, fordert der Gesundheitsminister. Kritikern reicht das nicht. Sie verlangen von Rösler weitere Änderungen am Arzneimittelsparpaket.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will sein Arzneimittelsparpaket verschärfen und die Pharmafirmen dazu zwingen, mehr Informationen über die Wirkung ihrer Arzneimittel zu veröffentlichen. „Für Patienten ist es wichtig, sich umfassend über Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln informieren zu können“, sagte Rösler WELT ONLINE. Die Unternehmen sollten deshalb ihre Studien zu neuen Arzneimitteln veröffentlichen. Sein Ministerium prüfe, ob eine Pflicht zur Offenlegung noch in das Arzneipaket aufgenommen werden kann, das im Sommer Gesetz werden soll.

Experten fordern schon länger mehr Transparenz über die Wirkung der Arzneimittel. Selbst bei Medikamenten, die schon zur Verordnung zugelassen seien, könnten Ärzte und Patienten kaum verlässliche Informationen bekommen, klagte jüngst der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. „Etwa 80 bis 90 Prozent der Informationen zu neuen Arzneimitteln erreichen die Ärzte über die Industrie.“ Die Ergebnisse der klinischen Studien, die vor der Zulassung eines Medikamentes durchgeführt werden müssen, würden oft viel zu spät bekannt oder von der Pharmaindustrie erst gar nicht publiziert, sagte Ludwig.

Tatsächlich müssen die Ergebnisse der Studien in Deutschland bisher nicht veröffentlicht werden. Nur ein Teil der Pharmafirmen hat sich freiwillig dazu bereit erklärt, Studienergebnisse zugänglich zu machen. Auf der Ebene der Europäischen Union wird zwar gerade eine Datenbank vorbereitet, in der die Studien einsehbar sein sollen, aber es ist offen, wann sie fertig ist.

Die USA dagegen haben seit 2008 eine Pflicht zur Veröffentlichung. Rösler hält es deshalb „gegebenenfalls für sinnvoll“, die Pharmafirmen trotz der EU-Pläne zunächst auf nationaler Ebene zur Veröffentlichung der Studien zu zwingen. Die Patienten seien an großer Transparenz interessiert, sagte Rösler. „Denn wer gut informiert ist, kann die ärztliche Therapie besser unterstützen und zu besseren Behandlungsergebissen beitragen.“

Experten erhoffen sich vom Einblick in die Studien bessere Erkenntnisse über die tatsächliche Wirksamkeit von neuen Arzneimitteln. Die Pharmhersteller sehen sich schon seit langem dem Verdacht ausgesetzt, dass sie die Studien manipulieren, auf deren Grundlage ihre neuen Pillen zugelassen und von Ärzten verschrieben werden können. Es würden nur positive Ergebnisse veröffentlicht. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller VfA weist diese Vorwürfe nicht grundsätzlich zurück, sondern verweist darauf, dass „inzwischen so gut wie alle Mitgliedsunternehmen“ ihre Studien veröffentlichten. Eine Pflicht im nationalen Alleingang durchzusetzen, führe zu einem „weiter erhöhten Aufwand bei den Sponsoren von klinischen Studien“ und sei im übrigen „nicht sachgerecht“, wie es in einem Informationspapier des verbandes heißt.

Doch auch durch mehr Transparenz würde der größte Kritikpunkt an klinischen Studien nicht ausgeräumt. Experten bezweifeln, dass deren Ergebnisse überhaupt Auskunft über die Wirksamkeit neuer Pillen geben, denn oft werden die Neuheiten nur im Vergleich zu Scheinpräparaten ohne Wirkstoff gestestet. Ein Vergleich mit ähnlichen Mitteln, die schon auf dem Markt sind, findet nicht statt.

„Es kann aber gut sein, dass das neue Präparat schlechter wirkt als altbewährte Medikamente. Das neue Medikament ist dann ein Rück- und kein Fortschritt“, sagt etwa Peter Sawicki, der scheidende Chef des halbstaatlichen „Instituts für Qualität und Wirtschaftlchkeit im Gesundheitswesen“.

Nicht nur Sawicki bezweifelt deshalb, dass Röslers Arzneimittelpaket, in dem erstmals eine Bewertung von Kosten und Nutzen von neuen Arzneimitteln vorgesehen ist, Wirkung entfaltet. Rösler müsse die Unternehmen endlich zwingen, vergleichende Studien durchzuführen. Auf dieser Grundlage könnten Krankenkassen dann mit Pharmafirmen über die Preise der Arzneimittel verhandeln.

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