Studie Management internationaler Wertschöpfung
Globale Netzwerke und dezentrale Wertschöpfungsstrategien können ein Ausweg aus der Krise der Automobilindustrie darstellen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung beleuchtet die Möglichkeiten.
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Die Krise der Automobilindustrie macht derzeit deutlich, welchen Stellenwert die Branche für die gesamte Weltwirtschaft hat und wie stark sie die Volkswirtschaften der Länder miteinander vernetzt. Brechen die Absatzzahlen eines Herstellers ein, sind nicht nur die Arbeitsplätze im Heimatmarkt gefährdet. Auch Zulieferer und Tochtergesellschaften an ausländischen Standorten werden in den Sog gerissen. Trotz Finanzkrise müssen sich die Unternehmen fragen lassen, ob und wie sie ihre Strategie bisher auf die veränderten Marktbedingungen abgestimmt haben. Wie sollen sie ihre internationalen Wertschöpfungsstrukturen gestalten, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können?
Die Bertelsmann Stiftung hat zusammen mit dem Lehrstuhl für Internationales Management und Strategisches Management an der ESCP-EAP Europäischen Wirtschaftshochschule Berlin eine Studie durchgeführt, die an den Beispielen von Volkswagen, Toyota, Audi und Renault zeigt, dass hier eine neue Perspektive bei der Gestaltung und Führung internationaler Wertschöpfung eingenommen werden muss. „Unternehmen brauchen ein neues Konzept für dezentralisierte Unternehmensstrukturen und deren Führung, das auch die Einbindung von Standorten in aufstrebenden Volkswirtschaften in höhere Wertschöpfungsstufen einschließt“, sagt Projektmanagerin Stefanie Sohm. Gleichzeitig sei eine Unternehmenskultur notwendig, die den Zusammenhalt globaler Unternehmensstrukturen sichert, sich aber auch an die spezifischen Gegebenheiten der lokalen Standorte anpassen kann.
Globalisierung der Wertschöpfung Automobilhersteller, vor allem im Volumensegment, müssen ihre Wertschöpfungsaktivitäten zunehmend dezentral ausführen, um in den Märkten vor Ort präsent zu sein. Nur so könnten sie weltweit Erfolg haben, von neuen Wachstumschancen profitieren und die Abhängigkeit von gesättigten Märkten reduzieren.
Als einer der ersten habe Toyota dies erkannt und sich damit trotz des aktuellen Absatzrückgangs in mehreren Regionen der Welt fest etablieren können. Der Volkswagen-Konzern folge diesem Beispiel und wolle sich so ebenfalls für die Zukunft absichern.
Die Gefahr, die für einen von wenigen Absatzmärkten abhängigen Hersteller bestehe, zeige sich in der aktuellen Schieflage der US-amerikanischen Automobilhersteller. Sie erzielten immer noch fast die Hälfte ihres Absatzes im Heimatmarkt und seien in dieser Hinsicht deutlich weniger international als ihre wichtigsten Wettbewerber.
Dezentralisierung der Führung
„Dezentral ausgeführte Wertschöpfungsaktivitäten müssen mit dezentralen Führungsfunktionen und Entscheidungskompetenzen einhergehen“, so Sohm. Dann könnten aus den Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen ausländischer Unternehmenseinheiten Wettbewerbsvorteile für das Gesamtunternehmen entstehen. Audi sei dies eindrucksvoll mit ihrer Tochtergesellschaft im ungarischen Györ gelungen. Diese wurde zum Kompetenzzentrum der Motorenproduktion.
Der US-Hersteller General Motors könnte besser dastehen, wenn er frühzeitig die Kompetenzen seiner deutschen Tochter Opel im Bereich der Kompakt- und Mittelklassewagen und der verbrauchsarmen Motoren für den gesamten Konzern genutzt und ihr eine Führungsrolle im Konzern gegeben hätte. Stattdessen kämpft GM mit dem Konkurs, während Opel vergleichsweise gut aufgestellt ist. Die aktuellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns resultieren also nicht nur aus dem Konjunkturabschwung und der Finanzkrise. Sie verdeutlichen auch die Fehler des Managements bei der Internationalisierung.
Einbindung aufstrebender Volkswirtschaften
Schwellen- und Entwicklungsländer werden morgen nicht mehr nur billige Produktionsstandorte, sondern auch neue Kernmärkte der Automobilindustrie sein. Standorte in aufstrebenden Volkswirtschaften übernehmen zunehmend höherwertige Wertschöpfungsaktivitäten, zum Beispiel in der technischen Entwicklung. Folglich müssen diese Länder zu festen Bestandteilen der Wertschöpfungskette werden, da sie die weltweiten Wettbewerbsvorteile der Unternehmen vergrößern können.
Der französische Automobilhersteller Renault habe dies erkannt. Seine rumänische Tochtergesellschaft Dacia war mit dem auf die Märkte in Schwellen- und Entwicklungsländern zugeschnittenen Low-Cost-Car Logan erfolgreich und wurde schnell zur tragenden Säule für Wachstum und Internationalisierung des Konzerns.
Konsequenzen der Dezentralisierung im Unternehmen
„Neben den strategischen und strukturellen Implikationen verändert die Dezentralisierung von Wertschöpfungsaktivitäten und Entscheidungskompetenzen auch die Unternehmenskultur“, erklärt Sohm. Automobilhersteller müssten hier Elemente aus verschiedenen Kulturbereichen vereinen und die Integration der geographisch verstreuten Unternehmenseinheiten in den Unternehmensverbund unterstützen. Die komplexen Veränderungen benötigten allerdings ein vorausschauendes Handeln.
„Langfristig werden die Automobilhersteller erfolgreich agieren, die ein weltweites Wertschöpfungsnetzwerk spannen, das Aktivitäten vor Ort in den Märkten ermöglicht“, lautet das Fazit.
Die Studie steht unter www.bertelsmannstiftung.de/wertschoepfung zum Download zur Verfügung.
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