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Konflikt mit Iran Eskalation nach Fahrplan

Die Spannungen zwischen Iran und den USA im Atomkonflikt nehmen weiter zu. Derweil erhält das Regime in Teheran Rückendeckung von China und Russland. Die EU gerät zunehmend zwischen die Fronten.
Ein Mann in Teheran vor einer Anti-USA-Grafik

Ein Mann in Teheran vor einer Anti-USA-Grafik

Foto: WANA NEWS AGENCY/ REUTERS

Am Montagmorgen ist in Iran ein Erdbeben der Stärke 5,7 gemessen worden. Ein Mensch starb, Dutzende wurden nach Angaben der örtlichen Behörden verletzt, einige Häuser beschädigt. In der Islamischen Republik ist das keine Seltenheit. Das Land gilt als erdbebengefährdet.

Am Tag zuvor sorgte die Führung in Teheran mit einer Erklärung für ein politisches Beben, das weltweit zu spüren ist. Iran hat damit begonnen, Uran über das im Atomdeal vereinbarte Maß von 3,67 Prozent hinaus anzureichern. Das hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) inzwischen bestätigt.

Die europäischen Reaktionen waren einhellig: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich "stark beunruhigt" und die Bundesregierung rief Iran "mit Nachdruck dazu auf, alle Schritte einzustellen und rückgängig zu machen". Ähnlich äußerten sich auch Großbritannien und die Europäische Union.

Israel fordert EU zu Sanktionen gegen Iran auf

Israels Premier Benjamin Netanyahu verurteilte Irans Atompolitik als "sehr, sehr gefährlichen Schritt". Er forderte die europäischen Vertragspartner - Frankreich, Großbritannien und Deutschland - auf, das Regime in Teheran zu sanktionieren.

Dagegen unterstützten die beiden verbliebenen nichteuropäischen Vertragspartner, China und Russland, die Position Irans:

  • Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im russischen Förderationsrat, erklärte nach Angaben der Agentur Interfax, Irans Schritt sei zwar bedauerlich, aber juristisch nachvollziehbar. Schließlich seien es die Vereinigten Staaten gewesen, die aus dem Atomabkommen ausgestiegen seien und auch die EU habe sich bei der Einhaltung ihrer Verpflichtungen schwergetan. "Der Ball liegt auf der amerikanischen Seite", wird er zitiert.
  • Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, China bedauere zwar Irans Schritt. Doch die Schuld an der Eskalation trügen die USA mit ihrem "unilateralen Drangsalieren" Irans.

Die Antwort aus Washington folgte prompt. "Die jüngste Ausweitung des iranischen Atomprogramms wird zu weiterer Isolation und Sanktionen führen", schrieb US-Außenminister Mike Pompeo auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

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"Ein iranisches Regime, das mit Atomwaffen ausgerüstet ist, würde eine noch größere Gefahr für die Welt darstellen", fügte er hinzu. Und Donald Trump erklärte, ohne konkret zu werden, Iran solle besser vorsichtig sein. Doch eine Kursänderung in Teheran dürfte nicht zu erwarten sein.

Sondersitzung der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien

Am kommenden Mittwoch will nun der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien in einer Sondersitzung über das weitere Vorgehen in dem festgefahrenen Konflikt um das umstrittene Atomprogramm beraten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Irans Präsident Hassan Rohani hatten zuvor bereits vereinbart, dass sie spätestens bis zum 15. Juli den "Dialog" über das iranische Atomprogramm wiederaufnehmen wollen.

Ein Aspekt, der zwischen Iran und den Europäern nun ebenfalls auf der Tagesordnung steht: der Streit um den vergangene Woche vor der Küste von Gibraltar beschlagnahmten Öltanker "Grace 1".

"Räuberei auf hoher See"

Das Tankschiff unter panamaischer Flagge mit rund zwei Millionen Barrel iranischem Rohöl an Bord liegt noch immer im Hafen der britischen Exklave. Am Donnerstag war das Schiff von der britischen Marine in einer dramatischen Aktion von Spezialeinheiten gestoppt worden.

Großbritanniens Regierung und die örtlichen Behörden vermuten, dass die "Grace 1" iranisches Öl nach Syrien bringen sollte - ein Verstoß gegen EU-Sanktionen. Allein: Die gelten nur für EU-Mitgliedsstaaten, was Iran nicht ist.

Teheran bestreitet, dass der Tanker Öl an das Assad-Regime liefern sollte und hat den britischen Botschafter in Teheran einbestellt. "Das Festsetzen des iranischen Tankers durch England ist wie Räuberei auf See", sagte der iranische Verteidigungsminister Amit Hatami. "Iran wird dies nicht tolerieren."

Iran droht mit weiterer Eskalation im Atomstreit

Die spanische Regierung wiederum, die Gibraltar für sich beansprucht, äußerte sich bisher nur vage: Das Tankschiff sei auf "eine Bitte der USA an das Vereinte Königreich" hin festgesetzt worden, sagte Spaniens Außenminister Josep Borrell, der bald der neue EU-Außenbeauftragte werden soll. Wie Spanien selbst die Sache sieht, verriet Borrell nicht.

Tatsächlich ist die Rechtslage unklar: "Die EU zwingt anderen nicht ihre Sanktionen auf. Das machen die USA", twitterte der schwedische Ex-Außenminister, Carl Bildt.

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Der Oberste Gerichtshof Gibraltars hat vorerst entschieden, dass das Schiff für maximal 15 Tage festgehalten werden kann. Als weitere Begründung könnte Großbritannien sich nun auf die US-Sanktionen auf iranisches Öl berufen. Diese sind theoretisch ebenfalls nicht international anwendbar, auch wenn sich praktisch alle Staaten daran halten, um nicht selbst zum Ziel von US-Sanktionen zu werden.

Kommt die dritte Eskalation im September?

Der Streit um das Tankschiff legt das Dilemma offen, in dem sich die Europäer gegenwärtig befinden: Einerseits wollen sie den Konflikt mit Iran nicht weiter eskalieren, andererseits können sie sich nur schwer den Forderungen Washingtons entziehen. Insbesondere London kann sich dies kaum erlauben: Wegen des drohenden Brexits ist es auf den Partner USA umso stärker angewiesen.

Die EU gerät zunehmend zwischen die Fronten - und Iran erhöht weiter den Druck. Alle 60 Tage werde man weitere Beschränkungen des Atomabkommens überschreiten, kündigte Abbas Araghchi, Irans stellvertretender Außenminister an, sollten bis dahin nicht die Sanktionen wieder aufgehoben werden.

Die nächste Eskalation - die bereits dritte - käme demnach Anfang September. Eine Option sei es dann, auf 20 Prozent anzureichern, die Zahl der Zentrifugen zu erhöhen oder bessere Zentrifugen einzusetzen, sagte ein Außenamtssprecher Irans nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA. Es klingt wie eine Eskalation nach Fahrplan.