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Industrielle Saatgut-Monopolisten unterliegen vor EuGH: Bauern dürfen weiterhin mit alten Saatgut-Sorten handeln
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Triumph für die Landwirte – Tiefschlag für große Saatgut-Konzerne: Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen Bauern alte Saatgutsorten züchten und verkaufen – auch ohne teueres Zulassungsverfahren.

Europas Bauern dürfen selbst Saatgut aus alten, amtlich nicht zugelassenen Pflanzensorten herstellen und vermarkten. Die umstrittene EU-Richtlinie verbiete dies nicht, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil. Im Ausgangsfall war ein bäuerliches Netzwerk von einem industriellen Saatgut-Hersteller auf 50 000 Euro Schadenersatz verklagt worden, weil die Bauern mit amtlich nicht zugelassenem Saatgut handelten.

Strenge Regeln


Nach der Saatgutrichtlinie der Europäischen Union müssten im Normalfall alle Sorten, die in den Handel kommen, in einem teuren Verfahren zugelassen und in einem amtlichen Register eingetragen werden. Bäuerliche Saatgut-Netzwerke, wie die im Ausgangsfall beklagte Initiative Kokopelli erfüllen diese Voraussetzungen für die Zulassung ihrer alten Sorten zwar nicht. Doch der Verkauf dieser Sorten werde von der umstrittenen Richtlinie nicht ausgeschlossen, heißt es im Urteil.

Im Ausgangsfall war Kokopelli von einem industriellen Saatgut-Hersteller aus Frankreich auf 50 000 Euro Schadenersatz verklagt worden, weil die Bauern mit amtlich nicht zugelassenem Saatgut handelten.

Wem gehören die Pflanzen?


Dem Netzwerk europäischer Saatgut-Landwirte ist das Urteil eine empfindliche Schlappe für Saatgut- und Agrarkonzerne wie Bayer , Monsanto oder Syngenta , die inzwischen 67 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes beherrschen. Für Heike Schiebeck vom österreichischen Zweig der Kleinbauern-Vereinigung Via Campesina zitiert den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger. „Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt.“

Schiebeck glaubt, dass die Agrarkonzerne sich mittlerweile die geistigen Eigentumsrechte an allen Kulturpflanzen sichern wollen – auch auf nicht genetisch manipulierte Pflanzen. Das belegen bereits Patente auf Antischrumpeltomaten, einen krebshemmenden Brokkoli und eine besonders süße Melone.

Durch immer mehr Rechte auf Pflanzen werden Bauern laut Schiebeck noch weiter in die Abhängigkeit der Agrarkonzerne getrieben, weil deren Saatgut für eine optimale Produktion spezielle Dünger und Pestizide benötigte. Landwirte, die sich darauf eingelassen haben, würden mittlerweile fünfmal mehr für Dünger und Spritzmittel ausgeben, als für das Saatgut selbst, schreibt die Bäuerin in einem Beitrag für die Saatgutkampagne „Zukunft säen – Vielfalt ernten“.

Autonom bleiben


Dass der Streit um das Saatgut ein Kampf um die bäuerliche Selbständigkeit ist, sieht auch die Generalanwältin des EuGH, Juliane Kokott. In ihrem Rechtsgutachten, den so genannten Schlussanträgen, äußerte sie die Auffassung, dass mit dem Vermarktungsverbot alter Sorten „Landwirte notfalls auch gegen ihren Willen zur Nutzung produktiverer Sorten gezwungen werden sollen“. Landwirte dürften aber allein darüber entscheiden, welche Sorten sie anbauen. Sie könnten auch ganz darauf verzichten, ihre Felder zu nutzen.

Das amtliche Verbot nicht zugelassener Sorten führt laut Kokott auch zu einer massiven Verarmung der biologischen Vielfalt und einer womöglich gefährlichen Dominanz des industriellen Saatguts: Es sei nicht auszuschließen, dass durch das Verbot nicht zugelassener Sorten künftig Pflanzen fehlen werden, die sich etwa dem Klimawandel oder neuen Krankheiten besser anpassen könnten als die heute vorherrschenden Sorten.

Zudem werde die Auswahl des Endverbrauchers bei Agrarprodukten eingeschränkt: Sie erhielten weder Zugang zu Lebensmitteln aus Sorten, die nicht den Zulassungsbedingungen entsprechen, noch könnten sie sie selbst, etwa in ihren eigenen Gärten, anbauen, kritisiert Kokott in ihrem Rechtsgutachten.
scb/AFP
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