Frisch gefallener Schnee hat ein grausiges Dokument des Todes neben die Bahngleise gezeichnet. Zehn Umrisse – zehn Menschen. Plötzlich aus dem Leben gerissen. Ein Bild voll Tod, Leid, Trauer und Fassungslosigkeit…
Ein Güterzug und der HarzElbeExpress-Nahverkehrszug (HEX) waren am Samstagabend um 22.24 Uhr in Hordorf bei Oschersleben zusammengestoßen. Die Wucht schleuderte den HEX-Triebwagen von den Gleisen. An Bord befanden sich 33 Personen!
Unter den Toten sind auch der Lokführer des HEX und eine Zugbegleiterin. Der Zugführer des Güterzuges ist leicht verletzt.
Die Zahl der Toten hat sich unterdessen auf zehn erhöht. Ein Zuggast erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
Der Bahnhof in Hordorf gleicht einem Trümmerfeld: Der vordere Teil des Nahverkehrszugs ist völlig zerfetzt, Waggonteile sind Hunderte Meter durch die Luft geflogen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hat sich am Sonntagmorgen ein Bild vom Unglücksort gemacht. „Das geht mir unter die Haut”, sagte Böhmer, der von Innenminister Holger Hövelmann (SPD) begleitet wurde.
Zur Ursache mutmaßte Böhmer: „Es muss wahrscheinlich ein Haltesignal überfahren worden sein.”
Zum Einsatz der Rettungskräfte zog er ein positives Fazit. Nach Aussage der Beteiligten „hat das richtig gut geklappt. Es waren genug Helfer da.” Böhmer sagte, dass noch nicht alle Toten identifiziert worden seien.
Er wolle nun in umliegenden Krankenhäusern einige Verletzte besuchen. Sie sind in Kliniken nach Halberstadt, Wernigerode, Neindorf, Magdeburg und Haldensleben gebracht worden.
Ralph Krüger, Einsatzleiter der Bundespolizei, sagte bei einer offiziellen Pressekonferenz, es müsse nun geklärt werden, ob der Unfall Folge eines technischen Fehlers oder menschlichen Versagens war. Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) und des Eisenbahn-Bundesamtes sowie die Staatsanwaltschaft sind bereits vor Ort.
Derzeit werden die Fahrtenschreiber beider Züge ausgelesen. Der Zugführer des Güterzuges steht unter Schock, machte noch keine Angaben zum Ablauf des Unglücks.
Die Wucht des Aufpralls ist unbeschreiblich: Noch in kilometerweiter Entfernung hören die Menschen in der Nacht zum Sonntag einen unheimlichen Knall, als die Züge gegen 22.30 Uhr auf eingleisiger Strecke ungebremst zusammenstoßen.
Laut einem Polizeisprecher fuhren die Züge mit so hohem Tempo aufeinander, dass die Passagiere in den vorderen Waggons sofort tot waren. Die Identifizierung der Toten erweist sich aufgrund der schlimmen Verletzungen als schwierig.
Der HarzElbeExpress befand sich auf dem Weg von Magdeburg nach Halberstadt. Der zweite Unglücks-Zug gehört dem privaten Transportunternehmen VPS aus Peine. Er hat Container geladen und Kalk der Salzgitter AG transportiert.
Alle verfügbaren Rettungskräfte aus der Region sind am Unglücksort im Einsatz. Gegen 1.30 Uhr waren bereits alle Verletzten geborgen und in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Einige von ihnen schweben in Lebensgefahr.
Es sei davon auszugehen, dass die Zahl der Toten noch steige, sagte Frank Küssner, Sprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord.
Die Polizei hat eine Hotline für Angehörige der Reisenden eingerichtet. Die Rufnummer lautet 0391/5461412.
Die gesamte Strecke Magdeburg-Halberstadt ist nach Angaben der HEX eingleisig. Dort waren in der Nacht des Unglücks Bauarbeiten angesetzt gewesen. Nach Angaben eines Mitarbeiters der HEX-Hotline wurde die gesamte Strecke gesperrt; für Fahrgäste späterer Verbindungen wurde ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.
Sachsen-Anhalts Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD) informierte sich wenige Stunden nach dem Crash vor Ort über das Ausmaß des Unglücks und die Rettungsmaßnahmen. Er sprach von einem „schlimmen Unfall”.