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Russische Energie Wenn der Kreml mit der Kälte droht

Die EU-Führung trifft sich in Moskau mit der russischen Staatsspitze, um über deren Truppen in Georgien zu sprechen. Und vor jedem klaren Wort steht die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas. Dass es in Zukunft zu Lieferstopps kommen könnte, halten Experten für nicht ausgeschlossen.
Von David Meiländer

Am "Hundevergleich" kommt ein britischer Premierminister heutzutage wohl nicht vorbei. Nachdem sich Tony Blair jahrelang als "George Bushs Pudel" verspotten lassen musste, schenkten die britischen Medien auch seinem Nachfolger, Gordon Brown, zum Amtsantritt im vergangenen Jahr einen Spitznamen aus der Hundewelt: "schottischer Terrier" nennen sie ihn. Ein wohlüberlegter Vergleich, denn das Tier ist zwar sehr loyal, aber eben auch leicht reizbar. Jüngst machte Brown dieser Beschreibung alle Ehre: Wenn sich Russland in der Georgien-Frage nicht bewege, so sagte er dem "Observer", dann müssten die Beziehungen radikal überprüft werden. Bis hin zu einem Ausschluss vom G8-Gipfel, der OECD und der WTO.

Harte Worte aus London, die dem französischen Präsidenten, Nicolas Sarkozy, und der deutschen Bundeskanzlerin gar nicht gefielen. Zwar verurteilen auch sie, dass Russland seine Truppen aus Georgien noch immer nicht komplett abgezogen habe, doch Sanktionen schlossen sie beim Treffen der Staats- und Regierungschefs vergangene Woche aus. Für Jan Techau, den Leiter des Zentrums Europäische Zukunftsfragen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), keine Überraschung. "Es war schon immer so: Je näher die Länder an Russland dran sind, desto weicher sind sie auch in ihrer Haltung", sagt er.

Die Sorge vor einem russischen Lieferstopp ist berechtigt

Seiner Ansicht nach reist Nicolas Sarkozy nun mit nicht mehr als einem Paket frommer Worte nach Moskau. Dort will der Präsident mit seinem russischen Kollegen, Dimitri Medwedew, besprechen, ob und wie die russischen Truppen aus Georgien abgezogen werden können. Doch klare Worte sind nicht zu erwarten. "Was man am Verhalten der Europäer vor allem sieht, ist ihre Hilflosigkeit", sagt Techau. "Niemand kann es sich leisten, Russland unnötig bloß zu stellen."

Denn die Folgen könnten verheerend sein. Vor allem in Deutschland ist die Sorge vor einem russischen Lieferstopp mehr als berechtigt: Fast ein Drittel des Rohöls, das hierzulande verheizt wird, kommt aus Russland. Beim Erdgas sind es sogar annähernd 40 Prozent. Diese Zahlen könnten noch weiter steigen, denn das Ölvorkommen beim zweitgrößten Lieferanten, Norwegen, geht langsam zur Neige. Dazu kommt: Wenn 2011 die heftig umstrittene Ostseepipeline fertig gestellt ist, wird das Gas fast auf direktem Wege von der sibirischen Barentsee bis nach Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern transportiert werden können. An der Frage, ob die etwa 1400 Kilometer lange Gasleitung wirklich nötig ist, daran scheiden sich die Geister, doch unabhängiger wird Europa durch sie nicht.

Niemand weiß, wie lange das Gas noch reicht

Was passiert, wenn man Russland zu sehr herausfordert, bekam die ukrainische Bevölkerung vor zwei Jahren zu spüren. Weil man sich über die Preise nicht einigen konnte, drehte der russische Staatskonzern Gasprom kurzerhand die Gaslieferung ab - mitten im Winter. "Im Kreml weiß man die Angst davor natürlich für sich zu nutzen", sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Dass es von russischer Seite im Extremfall zu Lieferstopps von Öl und Gas kommen könnte, hält die Professorin, die unter anderem auch den EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso berät, für nicht unwahrscheinlich. "Der Europäischen Union bleibt nicht viel, was sie dem entgegen setzen kann", sagt Jan Techau vom DGAP. "Ein Ziel muss auf jeden Fall sein, Alternativen zur russischen Rohstoffversorgung zu finden, und die Alternative heißt auf keinen Fall Öl. Das wird in dreißig Jahren keine große Rolle mehr spielen."

Große Gasvorkommen gibt es noch in Katar, Nigeria und Kasachstan, auf sie hat Russland bereits ein Auge geworfen. Schon heute importiert das Land Gas, um die starke Nachfrage aus dem In- und Ausland decken zu können. Denn die eigenen unerschlossenen Gasfelder anzuzapfen ist kostspielig. Wie lange das Gas noch reicht, ist unklar. Manche Prognosen gehen von 60 bis 70 Jahren aus, andere rechnen mit einem Ende erst in mehr als 100 Jahren.

"Russland braucht das Geld"

"Russland ist auf das Geld, das es aus dem Rohstoffverkauf verdient, angewiesen", sagt Jan Ulland vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Es gibt also eine gegenseitige Abhängigkeit." Allein Deutschland importierte laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr Öl im Wert von fast zwölf Milliarden Euro. Doch wie das Beispiel der Ukraine zeigt, schreckt Russland vor dem Lieferstopp nicht grundsätzlich zurück. "Die Russen sitzen klar am längeren Hebel", sagt Jan Techau vom DGAP. "Langfristig halten die einen Lieferstopp natürlich auch nicht aus, aber ein paar Tage würden der russischen Wirtschaft deutlich weniger schaden, als uns. Das weiß auch Nicolas Sarkozy. Er müsse in Moskau aufpassen, was er sagt, so Techau. Denn kalte Heizungen im Winter seien ein wirksames politisches Druckmittel. "Auch, wenn es nur ein paar Tage dauert."

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