Drohende Staatspleite in Athen:Griechische Schuldenkrise erfasst Bundesländer

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Das hochverschuldete Nordrhein-Westfalen bangt um seine Griechenland-Anleihen in Höhe von mehreren Millionen Euro: Die Schuldtitel sind Teil der Versorgungsrücklage für Beamtenpensionen. NRW ist nicht das einzige Bundesland, das Athen Geld geliehen hat.

Martin Hesse und Thomas Öchsner

Wenn Griechenland pleite geht, kostet dies auch zwei deutsche Bundesländer Geld. Vor allem Nordrhein-Westfalen würde ein Staatsbankrott hart treffen. Das ohnehin hochverschuldete Land besitzt griechische Anleihen im Wert von 220 Millionen Euro. Die Schuldtitel sind Teil der Versorgungsrücklage für Beamtenpensionen, in der 3,4 Milliarden Euro angelegt sind. Die Griechenland-Anleihen seien 2004 und 2005 gekauft worden, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums.

Die Akropolis im Abendlicht: Zwei Bundesländer würde eine griechische Staatspleite hart treffen. (Foto: dpa)

Deutlich weniger Geld hat Baden-Württemberg Athen geliehen. Hier geht es um zehn Millionen Euro - die Anleihen wurden ebenfalls für die Versorgungsrücklage der Beamten erworben. Andere von der Nachrichtenagentur dapd befragte Länder sind nicht in Griechenland investiert. Sachsen-Anhalt verfügt allerdings über spanische und italienische Anleihen. Hamburg hat in italienische Schuld-Titel investiert.

Griechenland ist bereits so sehr von Schulden geplagt, dass den Finanzämtern immer häufiger das Geld fehlt, um dort tätigen Unternehmen aus Deutschland Steuern zurückzuzahlen. Dies bestätigten die griechisch-deutsche Außenhandelskammer und der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels. "Griechenland befindet sich de facto in der Insolvenz", sagte die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova.

Das Parlament in Athen soll am Mittwoch dem Sparpaket der Regierung zustimmen. Es sieht Kürzungen von 28 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015 vor. Außerdem plant die Regierung, die Steuern zu erhöhen und Staatsvermögen zu verkaufen. Große Teile der Bevölkerung lehnen die Vorhaben ab. Trotzdem ist Athen zuversichtlich, dass eine Mehrheit der Abgeordneten zustimmen wird.

Etwas anderes bleibt ihnen auch kaum übrig: Ohne die Umsetzung des Rettungspakets gibt es kein neues internationales Hilfsgeld für den Pleitekandidaten Nummer eins in der Euro-Zone. "Wenn wir bis zum 12. Juli das Geld nicht erhalten, werden wir dasselbe grauenhafte Szenario bekommen, das wir bei einem Verlassen der Euro-Zone und einer Rückkehr zur Drachme erleben müssten", warnte deshalb bereits Vize-Regierungschef Theodoros Pangalos. "Die Banken wären umringt von Menschen, die ihr Geld abheben wollen. Die Armee müsste die Geldinstitute mit Panzern schützen, weil die Polizeikräfte nicht ausreichen würden."

Die Gespräche über eine mögliche freiwillige Beteiligung privater Gläubiger an dem von der Europäischen Union, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank geplanten zweiten Hilfsprogramm wurden unterdessen fortgesetzt. So verhandelte das Bundesfinanzministerium erneut mit Vertretern deutscher Finanzkonzerne wie Deutsche Bank, Allianz und Munich Re. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte die Finanzinstitute auf, ihre finanziellen Forderungen an Griechenland tabellarisch aufzuführen und anzugeben, in welchem Umfang sie sich eine Verlängerung von Anleihen und Krediten vorstellen können. Bis zur Sondersitzung der Euro-Gruppe am 3. Juli soll der mögliche Beitrag stehen, den die deutsche Finanzbranche zu leisten bereit ist.

Staatliche Garantien, wie von der Finanzbranche teilweise gefordert, lehnt Schäuble ab. Die Banken und Versicherer scheinen grundsätzlich zu Zugeständnissen bereit sein, dringen aber darauf, dass sich auch andere private Gläubiger europaweit sowie Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter beteiligen.

Größter deutscher Gläubiger ist die bundeseigene Abwicklungsanstalt, FMS Wertmanagement (FMSW), die aus der Skandalbank Hypo Real Estate hervorgegangen ist. Sie gibt ihr Griechenland-Risiko mit 10,8 Milliarden Euro an und dürfte Athen mit Sicherheit die Schulden stunden, wenn der Bund das will. Allerdings laufen die allermeisten Anleihen und Kredite, die die HRE einst an Griechenland vergeben hat, noch viele Jahre, teils bis 2030 und darüber hinaus. "Eine Laufzeitverlängerung seitens der FMSW würde Griechenland kurzfristig kaum helfen", sagt deshalb ein Insider.

Nach Angaben der Bundesbank beläuft sich das Engagement deutscher Banken in Griechenland auf bis zu 20 Milliarden Euro. Abschreibungen nach möglichen Verlusten gelten deshalb als verkraftbar. Für das Land soll ein zweites Rettungspaket geschnürt werden, nachdem sich die Notkredite über 110 Milliarden Euro vom vorigen Jahr als nicht ausreichend erwiesen haben.

Die deutschen Urlauber scheint die Krise wenig zu stören. Trotz der Massenproteste reisen in diesem Jahr deutlich mehr Menschen nach Griechenland. Eine Umfrage der Wirtschaftswoche ergab, dass mehrere Tourismus-Konzerne ein deutliches Umsatzplus verzeichnen. Im April kamen 24 Prozent mehr Besucher in das Land als im Vorjahr. "Sicherlich ist Griechenland auch einer der größten Profiteure eines insgesamt schwächelnden Nordafrika-Geschäfts", sagte Tui-Chef Volker Böttcher.

© SZ vom 27.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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