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Gaddafis Waffenlager: Rebellen auf Beutezug

Foto: Hussein Malla/ ASSOCIATED PRESS

Ägyptens Schwarzmarkt Schmuggler verkaufen Gaddafi-Raketen

Tausende Boden-Luft-Raketen sind im Chaos des Libyen-Kriegs verschwunden. Nun tauchen die gefährlichen und zum Abschuss von Jets geeigneten Waffen auf Schwarzmärkten in Ägypten auf. Israel fürchtet, dass die SAMs auch nach Gaza geschmuggelt werden.

Berlin - Eine der schlimmsten Sorgen der Nato nach dem Libyen-Krieg scheint sich zu bestätigen. Die "Washington Post" berichtet am Donnerstag nach umfangreichen Recherchen, dass die aus Arsenalen des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi verschwundenen Boden-Luft-Raketen bereits in großer Zahl und recht billig auf ägyptischen Waffenmärkten erhältlich sind.

Die Zeitung beruft sich auf mehrere ägyptische Offizielle, die den Schmuggel der hochgefährlichen "surface to air missiles", im Militärjargon kurz SAMs genannt, in das Nachbarland Ägypten bestätigten. Demnach seien in letzter Zeit einige Schmuggler auf dem Weg von der Grenze im Westen Ägyptens nach Alexandria gestoppt worden. Ebenso berichten die Quellen der Zeitung, einige Boden-Luft-Raketen seien bereits auf Schwarzmärkten für Waffen auf dem Sinai an der Grenze zu Israel angekommen. Laut einem Waffenhändler dort soll der Preis für die Raketen von 15.000 auf 4000 Dollar gesunken sein, weil sie recht leicht zu bekommen seien.

Der Bericht bestätigt eine der schlimmsten Befürchtungen der Nato und westlicher Regierungen nach dem Fall des Regimes Gaddafi. Die Militärallianz hat wegen verschwundener SAM-Raketen, die meisten sind russischer Bauart, eindringlich Alarm geschlagen. Bei einer vertraulichen Unterrichtung vor einigen Wochen warnte Admiral Giampaolo di Paola, Vorsitzender des Militärausschusses, deswegen sogar vor möglichen Terror-Anschlägen auf die zivile Luftfahrt. Trotz Luftüberwachung und Geheimdienstinformationen seien bis 10.000 solcher Raketen verschwunden. Die Raketen könnten quasi überall auftauchen, "sowohl in Kenia als auch in Kunduz", sagte di Paola.

Die meisten der Raketen sind nach dem Fall von Tripolis Ende August gestohlen worden. Damals öffneten die Rebellen viele Waffenlager des Regimes. Mindestens 20.000 der SAMs hatte Gaddafi in den vergangenen Jahren gehortet. Auch wenn sie recht alt erscheinen, sind die meisten voll funktionstüchtig. Die Experten der Nato sorgen sich, dass die Rebellen im Chaos des Kriegs keinerlei Kontrolle darüber hatten, wer die Raketen mitgenommen hat und wo diese letztlich geblieben sind. Die Waffen können recht leicht von der Schulter oder vom Boden aus abgefeuert werden.

Israel hofft auf Eingreifen der ägyptischen Behörden

Das Auftauchen der Waffen in Ägypten ruft vor allem in Israel Sorge hervor. Von der Halbinsel Sinai - dort hat die ägyptische Regierung trotz einer massiven Truppenaufstockung nur wenig Einfluss -, führen Hunderte Tunnel direkt in den Gaza-Streifen. Laut dem "Washington Post"-Bericht befürchtet das ägyptische Militär, dass radikale Gruppen dort an die Raketen gelangen und sie gegen Israel einsetzen könnten. "Wenn SAM-Raketen in den Gaza-Streifen gelangen, ändert das die Lage dramatisch", so warnen Militärs, "dann wären unsere Hubschrauber leichte Beute für jeden Angreifer."

Auch der schlimmste denkbare Fall, ein Angriff auf ein ziviles Flugzeug, ist für Terrorexperten ein durchaus plausibles Szenario. Bereits im November 2002 feuerten mutmaßliche Anhänger der Terrorgruppe al-Qaida zwei solche Raketen auf ein mit Touristen voll besetztes israelisches Verkehrsflugzeug im kenianischen Mombasa ab. Nur durch Zufall verfehlten die Raketen ihr Ziel, die Piloten sahen die beiden Geschosse knapp an dem Jet vorbeifliegen. Beim Start und im Landeanflug sind zivile Flugzeuge gegen solche Angriffe nicht geschützt und würden im Fall eines Treffers sofort abstürzen. In dem Briefing bei der Nato wurde deswegen ausdrücklich vor einer "ernsten Gefahr für den Luftverkehr gewarnt".

Ägypten dürfte selber interessiert sein, den Waffenschmuggel aus Libyen abzustellen. Für die Regierung in Kairo wäre es bedrohlich, wenn die Beduinen auf der Halbinsel große Lager mit den Waffen anlegen. Die Nomadenvölker - einigen von ihnen werden Verbindungen zu al-Qaida nachgesagt - gelten als Unruhefaktor und fühlen sich von der Zentralregierung vernachlässigt. Dass sich diese Stämme nun massiv bewaffnen, kann kaum im Interesse der Regierung sein. Folglich hofft man auch in Israel, dass die Ägypter alles tun, um den Strom der SAMs aus Libyen unter Kontrolle zu bekommen.