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Hamed Abdel-Samad: Aktuelle Krise hat die „Zutaten für einen Weltkrieg“
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dpa Nach der arabischen Revolution sieht Abdel-Samad die Gefahr eines Weltkrieges
  • FOCUS-online-Autorin

Der Autor Hamed Abdel-Samad hat immer wieder Reformen in den islamischen Ländern gefordert. Nach der arabischen Revolution jedoch sieht er die Gefahr eines Weltkrieges. Weshalb, erklärt der Politikwissenschaftler im Interview mit FOCUS Online.

FOCUS Online: In Ihrem neuen Buch „Krieg oder Frieden“ schreiben Sie über „meine arabische Revolution“. Dabei leben Sie seit 16 Jahren in Deutschland. Wie haben Sie den Umbruch in Ihrer Heimat erlebt?

Hamed Abdel-Samad: Vor der Revolution fühlte ich mich nicht wohl in Ägypten. Ich war verzweifelt am eigenen Land und habe mich gefragt, weshalb sich nichts bewegt, obwohl doch alle Gründe für Proteste da waren. Junge Menschen wollten anders leben als ihre Väter, sie besaßen keine Perspektive und waren unzufrieden mit den verhärteten politischen Strukturen, mit Machthabern, zu denen Sie keinen Kontakt hatten. Als die Proteste im Winter dann tatsächlich begannen, war ich überrascht, auch über die Dimension der Bewegung. Ich bin sofort nach Kairo gereist, um die Proteste mitzuerleben. Vor Ort konnte ich nicht neutraler Beobachter sein, für mich war das eine emotionale Angelegenheit – ich war überwältigt.



FOCUS Online: Sie haben als Autor und Politikwissenschaftler immer wieder Reformen innerhalb der arabischen Welt gefordert. Sind Sie nun zufrieden?

Abdel-Samad: Die Menschen, die jetzt auf die Straßen gehen, wollen diktatorische Machthaber loswerden. Diese sind aber nicht ihr einziges Problem. Da ist Vieles, das nicht nur durch Demonstrationen in Ordnung gebracht werden, sondern sich nur allmählich verändern kann: die Mentalität der Gesellschaft, Probleme in den Bereichen der Wirtschaft und Bildung. Das Ende der Diktatur des Ägypters Hosni Mubarak ist jetzt eine Voraussetzung, um etwas im Land zu ändern. Aber da fehlt noch viel.


FOCUS Online: Was muss jetzt geschehen?

Abdel-Samad: Die Revolution muss weitergehen – die Menschen dürfen nicht nur gegen Diktatoren kämpfen, sondern auch gegen bestimmte Stammes- und Familienstrukturen. Gegen die Geschlechter-Apartheid, die Entmündigung der Frau. Gegen eine Bildungspolitik, die die Welt in Freund und Feind teilt. Gegen die Selbstverherrlichung und die veralteten religiösen Denkmuster. Der Diktator muss nicht nur vom Amt des Präsidenten entfernt werden, sondern auch aus den Schulbüchern und der Art, wie Menschen miteinander umgehen.

FOCUS Online: Welche Schritte müssen dafür nun konkret unternommen werden?

Abdel-Samad: Zunächst muss politische Stabilität einkehren, sich Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit etablieren, damit das Land auch Investitionen anziehen kann. Der nächste Entwicklungsschritt ist die geistige Revolution: eine Erneuerung des Denkens.

FOCUS Online: Welche Rolle kann Europa dabei spielen?

Abdel-Samad: Europa muss mit der arabischen Welt kooperieren. Ich sehe die Gefahr, dass die europäischen Länder sich nun aber mitten in der Zeit der arabischen Umbrüche zurückziehen, weil sie mit eigenen Problemen beschäftigt sind, der Wirtschaftskrise und dem Euro-Rettungsschirm. Was die Revolution nun jedoch braucht, ist ein wirtschaftlicher und politischer Dialog auf Augenhöhe. Sowohl Europa als auch die arabischen Staaten können voneinander profitieren. Europa ist reich an Wissenschaft, Technologie, den Erfahrungen beim Aufbau von demokratischen Strukturen. Die arabischen Länder auf der anderen Seite haben, was Europa fehlt: die Jugend. Der Westen kann sich ganz ohne Migration verjüngen, indem er in Ländern wie Ägypten oder Tunesien investiert, Projekte entwickelt, durch die Arbeitsplätze entstehen können. Zum Beispiel : In Deutschland macht es weniger Sinn, Anlagen zu entwickeln. Stattdessen könnte dies in Ägypten geschehen. Durch eine Kooperation können in beiden Ländern Arbeitsplätze entstehen.

FOCUS Online: Sie befürworten sogar so etwas wie eine privilegierte Partnerschaft für Länder wie Tunesien und Ägypten.

Abdel-Samad: Eine gute Beziehung zwischen Ländern entsteht nicht ohne Zutun, sondern durch Verpflichtungen, durch wirtschaftliche und staatliche Interessen. Nach dem Krieg hätte es kein Mensch für möglich gehalten, dass Deutschland und Frankreich jemals eine solche Freundschaft verbinden könnte. Wirtschaft ist ein starker Faktor der Versöhnung. Wenn die Interdependenzen groß sind, muss man Rücksicht aufeinander nehmen. Das erschwert es, Feindseligkeiten zu entwickeln.

FOCUS Online: Welche Rolle kann speziell Deutschland spielen?

Abdel-Samad: Deutschland kann politisch natürlich nichts diktieren, aber es kann bei dem Aufbau politischer Strukturen helfen. Gerade Deutschland hat da schon viel Erfahrung, denken Sie an 1945 und 1989. Auch bei der Aufarbeitung von Stasi-Dokumenten kann Deutschland helfen, diese Überwachungen hat es in Ägypten zum Beispiel ja auch gegeben. Ein Land wie Deutschland hat viel Know-how, das transferiert werden kann, um Bildungssysteme neu aufzubauen und Lehrpläne zu entwickeln, die zum Denken anregen und nicht indoktrinieren.
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