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KTG-Abgang Gutt so!

Der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg markiert eine tiefe Zäsur - für die Parteien und für die politische Kultur im Land. Sein Comeback ist nicht ausgeschlossen, aber Kanzler darf er nicht mehr werden.

Was ist das für ein Drama? Eben noch war Karl-Theodor zu Guttenberg Deutschlands beliebtester Politiker, der Held der Basis, der Sonnyboy des Boulevards. Er wurde als möglicher Kanzler gehandelt, gefeiert. Nun ist er weg, verglüht innerhalb von 14 lausigen Tagen, wie eine Sternschnuppe, ein Shootingstar. Hier passt das Bild wirklich.

Zunächst einmal: Guttenbergs Abgang ist schade. Er war ein Hoffnungsträger, er versprühte Charisma, er war jemand, der Politik vermitteln konnte, der Menschen begeisterte. Die Truppe mochte ihn, ebenso wie viele Wähler. Was wünscht man sich mehr von einem Politiker?

Für die Zukunft der politischen Kultur im Land ist der Fall Guttenberg hingegen ein Segen. Es hat sich gezeigt: An Politiker werden besonders hohe Ansprüche in Sachen Anstand, Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit gestellt - und zwar ohne Ausnahme.

Politiker üben eine Vorbildfunktion aus. Guttenberg hat gegen diese Maßstäbe verstoßen und zieht daraus die Konsequenzen, sehr spät. Er wollte erst nicht, glaubte, dass seine Popularität ihn retten würde. Doch es zeigt sich, dass für ihn eben doch keine anderen Regeln gelten als für jeden anderen Politiker. Er wurde hinweggefegt von einem Sturm der Empörung über seine erschummelte Doktorwürde: im Netz, in der einflussreichen Wissenschafts-Community, in der bürgerlichen Klasse. Dagegen kamen er und die Kanzlerin, die ihn so lange schützte, nicht an. Das ist gut so.

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Karl-Theodor zu Guttenberg: Vom Shootingstar zum Copy-and-Paste-Sünder

Foto: Marius Becker/ dpa

Für das Ansehen der Politik in der Bevölkerung ist der Fall Guttenberg ein Problem. Nach Bundespräsident Horst Köhler zieht sich der nächste Lieblingspolitiker der Deutschen zurück. Guttenbergs Abgang wird bei all jenen Politikverdrossenen, die in ihm eine Art Messias sahen, viel Unverständnis und Bitterkeit auslösen.

Er strickt schon an seiner Legende

Er selbst trägt mit dazu bei, diese Stimmungen zu befeuern. In seiner Rücktrittsrede raunte er etwas von der "öffentlichen und medialen Aufmerksamkeit", die sich so sehr auf seine Person konzentriert habe. Das alles sei zu Lasten der Soldaten der Bundeswehr gegangen, findet er. Guttenberg strickt damit selbst an jener Dolchstoßlegende, die sich schon bald an so manchem Stammtisch breitmachen könnte: Eine Truppe von Neidern und Missgünstigen in Berlin hat den beliebten Mann aus dem Amt gemobbt. So ungefähr.

Guttenberg ist ein Phänomen: Viele Bürger scheinen bereit, ihm jeden Fehler zu verzeihen. Sie folgen ihm, wenn man so will, blind. Den Zorn dieser Wähler werden die Parteien noch zu spüren bekommen - vielleicht schon bei der nächsten Wahl, vielleicht aber auch erst in ein paar Jahren, wenn sich die erste Populisten-Partei gründet. Es braut sich etwas zusammen und es ist nichts Gutes, so viel steht fest.

Er hat noch eine Zukunft

Für Guttenberg muss das übrigens noch nicht das politische Ende sein. Die Geschichte zeigt, dass reuige Sünder in der Politik, auch in Deutschland, immer wieder eine zweite Chance bekamen. Franz-Josef Strauß, Cem Özdemir, Wolfgang Schäuble - die Politik ist bevölkert von gestrauchelten Helden, die immer wieder aufgestanden sind. So kann es auch Guttenberg gehen, nach einem Bad im politischen Abklingbecken.

Aber die Geschichte lehrt auch: Kanzler werden solche Menschen nicht. Damit ist es auch für Guttenberg vorbei. Ein falscher Doktor im wichtigsten deutschen Amt? Unvorstellbar.

Das Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel ist seit heute wieder offen. Eine schöne Aussicht ist das nicht: Guttenberg schien der ideale Kandidat, alle Hoffnungen von CDU und CSU ruhten auf ihm. Wenn man sich nun in der Union umschaut, ist da vor allem eines: Leere.