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  • Herr Paschulke

272 Beiträge seit 01.10.2005

Warum dieser Gesetzentwurf (leider) mangelhaft ist

Die zitierten Stellen sind dem Gesetzestext entnommen.

>§ 3a Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung
>für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte eines von ihnen als Gericht
>für Telemedienstreitsachen zu bestimmen, wenn dies der Rechtspflege
>in Telemedienstreitsachen, insbesondere der Sicherung einer
>einheitlichen Rechtsprechung, dienlich ist. Die Landesregierungen
>können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen
>übertragen."

Die Einrichtung von Schwerpunktgerichten könnte aber auch nach hinten
losgehen. Und zwar dann, wenn genau diejenigen Kammern, die bisher
auch die juristischen Schrotturteile gefällt haben, von den Ländern
zu eben jenen Schwerpunktgerichten auserkoren werden. Denn diese
Kammern haben immerhin – gerade wegen des regen „forum-shoppings“ an
ihren Gerichten – die allermeisten Fälle in diesem Bereich
bearbeitet. Dass gerade deshalb ein unwissender Justizdirektor auf
die Idee kommt diese Herrschaften wegen ihrer vielfältigen
"Expertise/Erfahrung" auf diesem Gebiet als dafür qualifiziert
anzusehen, ist recht naheliegend. An dieser Stelle auf die
Landesjustizverwaltungen zu vertrauen halte ich für gefährlich.
Schließlich haben gerade diese bei der Vergabe von Zuständigkeiten in
der Vergangenheit völlig versagt. Es ist ja mittlerweile seit Jahren
republikweit bekannt, dass die entsprechenden LG-Kammern in Hamburg,
Berlin und Köln eine Rechtsprechung an den Tag legen, die teilweise
an Rechtsbeugung grenzt. Und trotzdem wird die Geschäftsverteilung
seit Jahren nicht geändert. Es wäre ein leichtes Richter Buske und
seine Gesinnungsgenossen in Kammern zu setzen, die sich mit
Mietstreitigkeiten oder Scheidungsangelegenheiten befassen. Aber es
passiert nicht. Was sollte dann diese (offensichtlich unwissenden)
Entscheidungsträger davon abhalten, genau diese Leute in die
Schwerpunktkammern zu setzen? 

Etwas entscheidendes wurde aber in diesem Gesetzentwurf übersehen.
Selbst wenn man Schwerpunktgerichte einrichtet, bestünde wegen des §
32 ZPO nach wie vor die Möglichkeit sich das Schwerpunktgericht in
Deutschland auszusuchen, dass einem genehm ist. Gerade das sollte
doch aber verhindert werden oder? Davon abgesehen hat die
Zusammenlegung von Amtsgerichtsbezirken praktisch keinen Effekt, weil
solche Streitigkeiten sowieso fast immer vor die Landgerichte
getragen werden – wegen der (zu) hohen Streitwert-Ansätze.
Statt Schwerpunktgerichte einzurichten, wäre es sinnvoller und
sauberer den § 32 ZPO zu ändern. Das Problem mit der „oft eher
zugespitzter Sichtweise“ betrifft nämlich nicht nur die
Rechtsprechung in Internet-Sachen, sondern in gleichem Maße auch das
Presserecht. Hier ist eine Änderung ebenfalls dringend notwendig. Sie
ist bereits durch eine Petition auch in Gang gekommen. Diese sollte
man eher unterstützen:
>www.buskeismus.de/berichte/material/Justizministerium_081107.pdf

>(2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10a sind nicht
>verpflichtet, die von ihnen übermittelten, gespeicherten oder
>vermittelten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu
>forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. 

Wenn ich das richtig verstehe bedeutet dies, dass der Anbieter zu
keiner Vorab-Prüfung von Forenbeiträgen z.B. (durch Freischalten von
Kommentaren, o.ä.) verpflichtet werden kann. Das ist gut. Allerdings
noch nicht scharf genug formuliert. Denn im Wege der
„Rechtsfortbildung“ findet sich bestimmt irgendein Obergericht, dass
diese Norm „nicht anwendet“ in Fällen in denen bereits eine oder
mehrere Rechtsverletzungen begangen wurden. Genauso wie im
heise-Foren-Urteil. Man müsste hier eine apodiktischere Formulierung
finden, um ein Zurückfallen in eben jene unsägliche Rechtsprechung
auszuschließen. z.B. durch das Einfügen von „in keinem Fall“.

>(3) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10a sind zur Entfernung
>oder Sperrung der Nutzung vorhandener Informationen nur nach
>Vorlage eines dahin gehenden, vollstreckbaren Titels verpflichtet,
>der gegen den Anbieter der Informationen nach Abs.1 gerichtet ist.

Diese Regelung halte ich für überflüssig. Denn sie ändert nichts an
der bestehenden Problematik. Das heise-Foren-Urteil, dieses
aberwitzige E-Mail-Urteil (ich glaub es kam aus Köln), genauso wie
die Wikipedia-Verfügung waren allesamt vollstreckbare Titel. Mit
dieser Regelung befeuert man sogar eher die gerichtliche Durchsetzung
der Rechte, statt es erstmal außergerichtlich zu versuchen.

>Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung vorhandener
>Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle
>der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis
>10a unberührt, wenn sich Maßnahmen gegenüber dem verantwortlichen
>Nutzer als nicht durchführbar oder Erfolg versprechend erweisen und
>die Entfernung oder Sperrung technisch möglich und zumutbar ist. Das
>Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu
>wahren."

Dieser Absatz sollte besser insgesamt überarbeitet werden. Denn er
kassiert eigentlich genau die Haftungsprivilegierung des vorherigen
Absatzes wieder ein., durch die Verweisung auf die „(ungeänderten)
Regelungen bleiben unberührt“. Die alltägliche Praxis ist ja gerade,
dass die rechtswidrige Inhalte von Dritten ausgehen, die in den
allermeisten Fällen auch nicht mehr ermittelt werden können. Hiernach
würde man dann – genau wie heute – den Diensteanbieter als Störer zu
einem Handeln oder Unterlassen verpflichten können. Die
Rechtsprechung wird dies mit Sicherheit auch so dann in der Praxis
handhaben. Das würde dann praktisch gar nichts an den aktuellen
Problemen ändern. 

Dem Geschädigten müsste stattdessen an dieser Stelle auferlegt
werden, nachzuweisen, dass er ernsthaft versucht hat den
Verantwortlichen/Schädiger ausfindig zu machen. Das könnte dieser
z.B. dadurch belegen, dass er den Diensteanbieter zunächst
kontaktiert. Da der Diensteanbieter in diesem Stadium zunächst
nicht-Haftender Dritter ist, kann der Geschädigte sich an ihm
(zunächst) auch nicht schadlos halten im Hinblick auf etwaige
Rechtsverfolgungskosten („Abmahnung“). Das führt dazu, dass alle
Beteiligten im Internet angehalten werden, zunächst auf „normalem“
Wege miteinander zu kommunizieren und nicht gleich kostenträchtig
Anwälte damit beauftragen Briefe schreiben zu lassen, die man selbst
genauso hätte schreiben können mit dem gleichen Effekt. 90 % der
streitigen Dinge im Internet lassen sich nämlich mit 2-3 E-Mails aus
der Welt schaffen. Wobei sich hier wiederum die Frage stellt, ob die
FDP hieran überhaupt ein Interesse hat. Als Partei der Rechtsanwälte
dürfte sie sich mit solch einer Regelung nämlich ins eigene Fleisch
schneiden. 
Erst wenn ein solcher Kontakt ergebnislos geblieben ist, und der
Diensteanbieter seinerseits auch weiterhin nichts unternimmt um die
Rechtsverletzung zu beenden, sollte es möglich sein, ihn im Wege der
Störerhaftung zum Unterlassen/Handeln verpflichten zu können. 
Diese erschwerte Inanspruchnahme durch Dritte – auch subsidiäre
Haftung genannt – ist in anderen EU-Ländern die Regel.

>(4) Rechtsvorschriften, die Diensteanbietern nach pflichtgemäßen
>Ermessen von diesen zu erwartende Sorgfaltspflichten auferlegen, um
>bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten auf¬zudecken und zu
>verhindern, bleiben unberührt.

Auch hier wieder: Praxisfern. 
Die Gerichte werden in Fortsetzung ihrer bisherigen Rechtsprechung
weiter so urteilen, dass sie den Diensteanbietern größtmögliche
Sorgfaltspflichten auferlegen, um rechtswidrige Inhalte „zu
verhindern“. Hier steckt die Vorab-Prüfung bzw. Vorzensur ja schon im
Wort drinne.

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