Ein bedeutender Teil der Terror-Geschichte

Veröffentlicht: Juli 28, 2011 in Politik
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Zu einem sehr besorgniserregenden Bereich der nicht enden wollenden Geschichte des Terrors gibt ein Buch besonders gute Einblicke: „Nato-Geheimarmeen in Europe, Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung“ von Dr. Daniele Ganser (Orell Füssli Verlag Zürich ISBN 978-3-280-06106-0) (1). Der Autor, ein Schweizer Historiker und Friedensforscher, ist Dozent an der Universität Basel.

http://www.danieleganser.ch/NATO_Geheimarmeen_in_Europa_1211310734.html + http://www.youtube.com/watch?v=sd9o6kohI7I

Aufbauend auf den Erlebnissen und Erfahrungen mit deutscher Besatzung war es Amerikanern und Briten relativ leicht, Menschen in vielen Ländern Europas zu überzeugen, dass man für eine Besetzung (nun als von der UdSSR ausgehend) Vorsorge treffen müsse. Es ging also zuerst einmal vorgeblich darum, „Stay Behind Armeen“ zu schaffen, die etwaigen Besatzern nach der Eroberung das Leben schwer machen sollten. Man könnte dies nun den Gegebenheiten des „Gleichgewichts des Schreckens“ zuschlagen, das ja möglicherweise Europa die Schrecken eines Dritten Weltkrieges erspart haben könnte.

Antifaschistische Tradition?

Indessen spielte die antifaschistische Tradition der ehemaligen Opfer deutscher Besatzung unter den europäischen Ländern bald keine Rolle mehr – auch die westlichen Dienste wussten übrigens frühzeitig, dass eine sowjetische Invasion Westeuropas keineswegs anstand – es ging um anderes, nämlich um den politischen Kampf gegen linke Ideen und Politik. Dafür hatte man keinerlei „Berührungsängste“ gegenüber Faschisten und ehemaligen Kollaborateuren. In Italien hieß dann die Struktur auch „Gladio“ nach dem römischen Kurzschwert, wie auch die italienischen Faschisten gerne an römische Gewaltsymbole anknüpften. So entpuppte sich die wirkliche Aufgabe der geheimen und den „demokratischen“ Kontrollmechanismen komplett entzogenen Strukturen bald als massive Kontrolle der Amerikanischen Regierung über die Politik der europäischen Länder außerhalb des Ostblocks. Im Kampf gegen Linke Ideen und Politik wie gegen nationale Eigenständigkeit beschränkte sich der Kampf nicht auf „Kommunisten“, sondern bezog auch sozialdemokratische Politiker ein, die ebenso auf Todeslisten der NATO-Geheimarmeen landeten.

Frankreichs Sonderrolle

Es war praktisch nur Frankreich, das aus der Situation schließlich die Konsequenz zog und nicht nur die Zentrale der amerikanischen Geheimarmee des Landes verwies, sondern auch aus den Kommandostrukturen der NATO ausscherte, allerdings nicht aus der NATO austrat. Besonders deutlich wurde die gesuchte Nähe zu den deutschen Faschisten natürlich in Deutschland selbst, wo die USA über die Geheimstrukturen nicht nur Klaus Barbie (den „Schlächter von Lyon“) seiner gerechten Strafe entkommen ließen, sondern den Schreckensspezialisten Reinhard Gehlen (den Schöpfer der Organisation „Fremde Heere Ost“) zum Chef des wichtigsten Geheimdienstes der jungen Bundesrepublik Deutschland machten.

„Wehrwölfe“ gegen die Demokratie

Was Ganser nicht thematisiert, was aber auf der Hand zu liegen scheint: insgesamt stellt sich die Entwicklung der Geheimarmeen in der Zeit weniger von den Widerstandsbewegungen gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg als vielmehr von der durch Himmler ins Leben gerufenen „Wehrwolf-Organisation“ inspiriert dar, die nach einer Besatzung durch die Alliierten Angst und Schrecken verbreiten sollte. So ist es auffällig, dass diese trotz allen Fanatismus´ ihrer Schöpfer und Organisatoren nach Kriegsende praktisch nicht in Erscheinung trat. Dies legt den Verdacht nahe, dass, obwohl Himmler selbst nicht mit den Amerikanern „ins Geschäft“ kommen konnte, vielleicht schon dieses Netzwerk frühzeitig von den US-Diensten übernommen und „integriert“ worden sein könnte. Es scheint als „Blaupause“ für Gladio & Co viel glaubwürdiger als z. B. die „Resistance“.

Der „große Bruder“

Letztlich stand entgegen allen Bekundungen, die Freiheit der Menschen gegen die Gefahren des Stalinismus und Post-Stalinismus zu verteidigen, das Bestreben im Vordergrund, die Interessen der Herrschenden in den USA und Großbritannien gegen die Freiheit der Bevölkerung in den betreffenden Ländern zu stellen und die Souveränität der entsprechenden Länder auszuhöhlen. Dabei spielte nicht nur Propaganda, Intrige und Rufmord eine Rolle, sondern insbesondere auch blanker Terror. Allerdings sollte er in den meisten Fällen nicht in seinem Ursprung sichtbar sein. Er sollte in der Regel als „linker“ oder „kommunistischer“ Terror wahrgenommen werden, er war (und ist?) vorwiegend „False Flag“-Terror, also unter falscher Flagge ausgeführter Terror.

Terror

Das Buch liefert (und bestätigt) viele Indizien, dass diverse Anschläge von Brabant in Belgien bis zum großen Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna (mit über 80 Toten) letztlich das Werk dieses geheimen Netzwerkes waren. Hinzuzufügen ist, dass auch Manches der „RAF-Taten“ nicht frei ist vom Verdacht, noch weitere Hintergründe zu haben.

Gerne wird medial das Thema als mit dem Kalten Krieg beendet dargestellt. Indessen hat der Westen nach seinem Sieg über den Ostblock keinerlei inneren Umbruch erlebt. Aber neben den alten linken Gegnern hat er sich neue Gegener geschaffen. Da gibt es den „Islamismus“, der zwar keinerlei weltpolitische Macht besitzt, aber dennoch mit einem neuen Weltkrieg (genannt Krieg gegen den Terror) bekämpft werden muss und auch in seiner Gefährlichkeit gezeigt werden muss. Nun gehen die USA allerdings mit der islamischen Welt so um, dass zwar mal der eine oder andere Mensch aus diesem Raum zur Gewalt bereit ist. auch Selbstmord-Attentate kommen vor, ob man aber gerade diese aufrichtiger weise als „feige“ bezeichnen kann, ist eine andere Frage. Aber nach den Erfahrungen mit der Wirksamkeit von „False Flag Operations“ kann man sich viele Fragen stellen, was die realen Hintergründe diverser Terror-Angriffe angeht. Schon vor „Nine-Eleven“ haben vermeintliche Terrorangriffe so ausgezeichnete Grundlagen für „beherztes“ weltpolitisches Agieren geliefert, dass man an der alten Kriminalisten-Frage „wem nützt es?“ nicht wirklich vorbei kommt. Ganser weicht ihr nicht aus, verwist aber als Politkwissenschaftler gewissenhaft die  Antwort in die Zukunft.

Nazis am Werk

Allerdings spielten nicht nur Operationen eine Rolle, die linke Politik oder vielleicht heutzutage die islamische Welt in Misskredit bringen und zum Angstobjekt machen soll. Es sind auch Ereignisse eingetreten, die man nach Lage der Dinge diesem Netzwerk zuschreiben muss, und die schlicht Angst und Schrecken verbreiten, die Gesellschaft verunsichern und Überwachungspolitik mit Nahrung versorgen sollten. Auch kann man damit rechnen, dass derartige Strukturen dazu genutzt werden, Druck auf Regierungen auszuüben, sozusagen für Regierungskreise als deutliche Warnungen, ohne das dies für die Medien und die Bevölkerung deutlich wird. Die betreffenden Regierungen werden allgemein nicht geneigt sein, dies an die große Glocke zu hängen, da es ihre Legitimation untergraben würde. Als Beispiel dafür ragt das Münchner Oktoberfest-Attentat heraus. Am 26. September 1980 kostete die Bombenexplosion 13 Menschen das Leben, unter den 213 Verletzten befanden sich viele Schwerverletzte. Die alleinige Täterschaft von Gundolf Köhler, ein rechtsextremes Mitglied der berüchtigten „Wehrsportgruppe Hoffmann“ muss ernsthaft bezweifelt werden, wie Ganser ausführlich darlegt. Viele Hinweise deuten erdrückend auf einen Bezug zum „Gladio“-Netzwerk hin.

Eine weitere „Eisbergspitze“?

 Am 21. Januar machte die Polizei in Becherbach (i. d. Nähe von Bad Kreuznach) den größten Waffen- und Sprengstoffund bei einem „Privatmann“. Zwei Wagenladungen Waffen, unter anderem etwa 40 kg eines Nitroglyzerin-ähnlichen Sprengstoffs sowie rund 120.000 Schuss Munition. Da horcht man in Kenntnis der „Gladio“-Geschichten eben sofort auf. Ein „Spinner“, also letztlich „harmlos“? Die Geschichte wird nicht harmloser durch die Tatsache, dass der Mann mit seinem Sohn und weiteren Tatverdächtigen am „WW-II-Reenacting“, also am „Nachspielen“ von Weltkrieg II-Geschehen im Verbund mit der US-Garnison Bitburg beteiligt waren. Dabei wurden Militärfahrzeuge benutzt, mit denen der Mann auch hin und wieder durch den Ort fuhr. Er wollte eben auf „alt-dörfliche“ Weise die „Wehrhaftigkeit des deutschen Mannes“ demonstrieren, wobei vielleicht das sozialpsychologische Milieu so war, das viel Tarnung gar nicht von Nöten war.

Weitere Vorkommnisse

Auch im saarländischen Beckingen wurden etwa zwei Wochen später rund 100 Schusswaffen, darunter Maschinengewehre und Maschinenpistolen, sichergestellt, daneben gab es auch aus der letzten Zeit diverse ähnliche Vorkommnisse. Die medial durchgängige Deutung, es seien „Messi-ähnliche“ Sammler, die irgendwann den Überblick verloren hätten, überzeugt nicht wirklich.

Die Politik ist aufgerufen, eine Klärung dieser Funde auf mögliche Zusammenhänge wie überhaupt hinsichtlich des damaligen Umfanges wie des möglichen Weiterbestehens dieser Strukturen herbeizuführen. Oder haben wir es noch immer mit einer „Staatsraison“ der „eingeschränkten Souveränität“ zu tun?

Fazit

Wie gesagt könnte uns das Ganze relativ kalt lassen, wenn es sich bei den dem italienischen „Gladio“ entsprechenden Netzwerken nur um Relikte des Kalten Krieges als „Stay Behind Armeen“ handeln würde, die ausschließlich für den Fall eines „Überrennens“ Westeuropas durch die Sowjetunion gedacht gewesen wären. Aber wie Ganser eben überzeugend darstellt, waren diese Netzwerke bald nicht mehr für diesen vorgebliche Zweck gedacht, sondern dienten im Wesentlichen der Bekämpfung „linker Politik“ und der Bekämpfung aller den USA missliebigen politischen Entwicklungen. Diese Netzwerke waren sicher (und sind vielleicht) in Terroraktionen verwickelt, die als „False Flag Operations“  politische Gegner diskreditieren soll(t)en und Unsicherheit erzeugen soll(t)en.

Es ist aber festzustellen, dass auch Terror, der unter festgestellter Beteiligung rechtsextremer Gruppen stattfindet, eben dem Imperium genehm sein kann, denn er lähmt die gesellschaftliche Diskussion und führt linke Politik „zurück in die Gemeinschaft der Demokraten“ aller Couleur und erzwingt den Kuschelkurs gegenüber dem politischen Mainstream. So besteht die Möglichkeit, Regierungen, welche die Neigung zeigen, „aus der Reihe zu tanzen“, zu „warnen“ oder gar zu demontieren. Dies eröffnet eine zusätzliche erschreckende Dimension. Es bleibt abzuwarten, ob Dinge zutage treten, die auch im Falle Norwegens in eine solche Richtung weisen. Als absolut „linientreu“ hat sich Norwegen im transatlantischen Verbund nicht immer gezeigt, besonders markant äußerte sich dies im Ausstieg aus der „Koalition der Willigen“ beim Herbei-Bomben der „Neo-Con“-Demokratie in Libyen und in der Unterstützung der Unabhängigkeit Palästinas. Wenn man an den deutschen „Ungehorsam“ in der Libyen-Frage denkt, mag einem Angst werden. Etwaige „Warnungen“ brauchen sich auch nicht nur an das Land zu wenden, in dem sie stattfinden!

Nachtrag: in Treue fest steht das Vereinigte Königreich mit seinen „Diensten“ an der Seite der USA auch für viele politische Aktionen. Aber auch ein weiteres Land, ehemals engster Verbündeter des Apartheid-Regimes in Südafrika, hat an vielen Stellen der Welt gewirkt, wo die Regierung der USA sich nicht „die Hände schmutzig machen“ wollte, und dieses hält sich auf die Raffinesse seines Geheimdienstes viel zu Gute.

Andreas Schlüter

Kommentare
  1. […] USA in Europa im „Kalten Krieg“ („NATO Geheimarmeen in Europa“, http://tinyurl.com/5dmeqw, https://wipokuli.wordpress.com/2011/07/28/ein-bedeutender-teil-der-terror-geschichte/) mit politischer Skrupellosigkeit intim vertraut, hat sich mutig an die Seite der […]

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