Kurz vor dem Konzert

Led Zeppelin, die späten Rächer des 68er-Rock

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Von Michael PilzRedakteur Feuilleton
Veröffentlicht am 08.12.2007Lesedauer: 6 Minuten
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Quelle: dpa

Auf ihr Konzert an diesem Montag in London wollten 20 Millionen Menschen, nur 20.000 dürfen rein. Ihre Platten verkauften sich über 300 Millionen Mal. Led Zeppelins Musik wirkt wie aus der Zeit gefallen. Doch genau das macht sie populär. Denn der Schweinerock der späten Sechziger hat viele Jünger.

Das Jahr 1968 gilt als folgenschwer. Auf diese Formel sollten sich auch ältere 68er und späte Anti-68er einigen können. Für die einen geht es um die revolutionäre Lebensleistung; für die anderen darum, die Schuldzuweisungen umso erregter vorzutragen.

Im September 1968 begab es sich, dass vier Männer erstmals musizierend aufeinander trafen, deren Band den Rock als sogenannten „Soundtrack der Befreiung“ zügig in eine Krawallmusik für jedermann verwandelte. Beflügelt von der ersten Probe reiste das Quartett damals durch Skandinavien. Anschließend wurde dann das unterwegs entstandene Repertoire in aller Eile aufgenommen.

Wiederauferstehung einer Rocklegende

Als ihr Gitarrist und Gründer Jimmy Page ganz sicher war, damit die Menschheit zu erschüttern, taufte er das Bandprojekt Led Zeppelin. Er hatte sich eines Ausspruchs von Keith Moon erinnert. Der The-Who-Schlagzeuger hatte ihm prophezeit, mit einer eigenen Gruppe abzustürzen wie ein bleiernes Luftschiff. „Like a lead zeppelin“. Das Cover ihres Debüts wurde mit der brennenden „Hindenburg“ über Lakehurst verziert.


Nicht wenige hatten 1968 Großes vor, so mancher löste dieses Vorhaben während der 70er-Jahre nach Kräften ein. Am morgigen Abend werden weltweit etwa 19.980.000 Menschen feierlich gestimmt aber betrübt nach London schauen. In der dortigen O2-Arena zelebriert Led Zeppelin die wundersamste Wiederauferstehung einer Rocklegende seit der Rückkehr Elvis Presleys zur Adventszeit vor 39 Jahren.

Immerhin 20 Millionen Kartenwünsche gingen auf dem Server des Spektakels ein, nur 20.000 wurden zugelost. Und das für eine Band, die in zwölf Jahren vielleicht sieben Jahre bei Bewusstsein musizierte.

Angst vor den schwarzen Künsten des Gitarristen

Bereits 1975 äußerten sich erste Anzeichen ihres Zerfalls. In Malibu spielten sich damals menschliche Tragödien ab in einer Hütte, die als „Henry Hall“ in die Geschichte einging. Henry stand für Heroin. Wenig später brach sich der steuerflüchtige Sänger Robert Plant das Bein bei einer unachtsamen Autofahrt auf Rhodos.

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Seinen Unfall lastete er Jimmy Page an. Page befand sich schon seit längerem im Bund mit schwarzen Mächten, bewohnte das ehemalige Heim des Satanisten Aleister Crowley, las in den entsprechenden Schriften und versuchte Kenneth Angers Film „Lucifer Rising“ zu vertonen.

Bandintern nahm die Angst vor Page derart seltsame Ausmaße an, dass er 1977 für den Virus verantwortlich gemacht wurde, an dem Plants Sohn Karac über Nacht verstarb. Am 25. September 1980 kam dann der trunksüchtige Schlagzeuger John Bonham unter den berufsüblichen Umständen zu Tode (erstickt an Erbrochenem), und die Band erklärte sich für aufgelöst.

Gepolter in verwüsteter Musiklandschaft

Jetzt ist sie wieder beieinander. Bonham wird auf adäquate Art ersetzt von Jason Bonham, seinem Sohn, der schon als Siebenjähriger im gerade frisch renovierten Bandfilm „The Song Remains The Same“ zu sehen ist. Zunächst war nur ein kurzes Set geplant. Ein Ehrengastspiel für ihren vor einem Jahr verstorbenen Förderer Ahmet Ertegun und dessen Stiftung.

Nun ziehen die sechswöchigen, offenbar verheißungsvollen Proben ein gewöhnliches Led-Zeppelin-Konzert nach sich. Das heißt: Es werden drei von ihrer eigenen Virtuosität berauschte 60-Jährige zu sehen sein, wohl einige Stunden lang. Aber einmalig. Um, wie Robert Plant erklärt, „am Ende einer Welt zu salutieren, die mit Ahmet Ertegun dahin ging.“

Ertegun hat als Begründer von Atlantic Records und als Impresario, der den Beruf noch ernst nahm, 1968/69 in Amerika erkannt, worum es bei Led Zeppelin wirklich ging. Persönlich wird der Jazz- und Soul-Liebhaber das Gepolter kaum als angenehm empfunden haben. Man muss sich aber die späten Sechziger vor Augen führen und eine verwüstete Musiklandschaft, die Elvis handstreichartig mittels einer Fernsehshow zurück erobern konnte.

Teufelsbotschaften auf der Himmelstreppe

Rock'n'Roll hatte es wieder leicht. Die Beatles demonstrierten mit dem Weißen Album ihre Auflösung, die Rolling Stones mit „Beggars Banquet“ ihre Verbeamtung. Und die Popkultur begann, in die obskursten Subkulturen zu zersplittern und ließ Heerscharen von Ratlosen zurück. Hinzu traten die Jüngeren mit ihren rüden Vorbehalten gegen jede übertriebene Sanftmut.

Und dann kam Led Zeppelin. Man muss sich nicht darauf beschränken, zu erörtern, was die Band der Mehrheit vorlebte und von der „Bravo“ bis zum „Spiegel“ mit empörter Lüsternheit gewürdigt wurde. Kreative Chaoten, kreischende Charismatiker. Offene Haare, enge Hosen. Oder wie es Page ausdrückte: „Macht, Geheimnis und der Hammer der Götter.“

Dass die Band auf Reisen eine Spur beträchtlicher Verheerungen hinterließ, hat den Lauf der Zeiten kaum verändert. Dass „Stairway To Heaven“, rückwärts abgespielt, mit Teufelsbotschaften das Abendland gefährdet haben soll, dürfte kaum dafür gesorgt haben, dass 1979 noch 400.000 auf die Äcker Knebworths pilgerten, um zuzusehen, wie die Band ihre Musik aufführt. Es war dann doch eher die Musik.

Blaupause des Heavy Metal

Zu allen Zeiten gab es Übersetzer, denen es gelang, mit einer scheinbar ungewöhnlichen, aus finsteren Quellen stammenden Musik integrativ zu wirken. Elvis war so einer. Auch Led Zeppelin wurde so oft angedichtet, schwarzen Blues in erotisch offensiven Hardrock überführt zu haben, dass man es für Unsinn hält. Aber es stimmt.

Nebenbei wurde jede gebräuchliche Musik in eine zeitgemäß rigorose und robuste Form gebracht. Ins Mystizistische entflohene Hippies wurden überreich bedacht mit „Bron-Yr-Aur“ oder „Ramble On“, dem Stück, in dem Plant beklagt, dass Gollum ihm das Mädchen ausgespannt habe. Es wurde Funk („The Crunge“) geboten, Reggae (D'yer Ma'ker“), Psychedelisches („No Quarter“), Country („Black Country Woman“), Bossa Nova („Fool In The Rain“). Von Jazzrock und Balladen ganz zu schweigen.

Zwischen „Stairway To Heaven“ (Plant: „das blöde Hochzeitslied“) bis „Whole Lotta Love“ (die Blaupause des Heavy Metal) ließ Zep Zeppelin nichts aus und niemanden allein. Es stimmt nicht, dass der Punk das aufgeblasene Mutterschiff der Rockmusik am Ende platzen und die heiße Luft entweichen ließ. Eine besonders unterwürfige Version von „Kashmir“ stammt von Sex-Pistol-Sänger Johnny Rotten.

Auch Phil Collins durfte mal mitspielen

Als aber mit Punk die Popkultur noch zynischer und kleinteiliger wurde, hinterließ Led Zeppelin ein Publikum, das seither noch Orientierung sucht: Was an das Ideal dieser so konsensfähigen, sperrigen und vernünftigen Musik erinnert, wird begrüßt, bis sich herausstellt, dass es nicht das Gleiche ist.

Die Überreste von Led Zeppelin haben das selbst gelegentlich bewiesen. 1985 mit dem Schlagzeuger Phil Collins bei „Live Aid“, drei Jahre später bei einer Betriebsfeier von Ahmet Ertegun mit Jason Bonham oder in den 90ern, als Page und Plant ihr Oeuvre gründlich marokkanisierten. Ob nun Metal, Grunge oder nur jede annähernd so demokratische, allein durch ihre Schwerkraft volksnahe Musik: Sie geht im Guten wie im weniger Guten auf Led Zeppelin zurück. Auf 1968.


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