Koptische Gemeinde in Frankfurt unter Polizeischutz

Wegen der islamistischen Bedrohung bekommt die älteste koptische Gemeinde in Deutschland für ihr Weihnachtsfest am Donnerstag besondere Bewachung.
Der Terroranschlag auf einen Gottesdienst koptischer Christen in Ägypten mit mindestens 21 Todesopfern hat deren deutsche Glaubensbrüder tief erschüttert. „Viele Menschen weinen. Ihr Herz blutet“, sagte Bischof Anba Damian, höchster Repräsentant der koptischen Christen in Deutschland, der Nachrichtenagentur dapd. Im Hinblick auf das am 7. Januar anstehende Weihnachtsfest seiner Kirche sagte der Geistliche: "Es wird keine Feierlichkeiten geben, höchstens die Liturgie.“
Von den obersten Imamen in Ägypten forderte der Bischof eine klare Distanzierung vom Terrorismus. Islamische Funktionäre müssten außerdem diejenigen im Auge behalten, „die jetzt auf den Straßen jubeln“. Weiterhin müsse alles getan werden, um die Täter zu bestrafen.
Positiv berührt zeigte sich der Bischof von den weltweiten solidarischen Reaktionen auf das Attentat. Insbesondere gelte dies für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. „Die Solidarität des Heiligen Vaters Papst Benedikt war eindeutig“, sagte Damian. Außerdem habe es viele Anrufe gegeben von Muslimen aus Ägypten und aus Deutschland, die diese Anschläge in aller Form verurteilt hätten.
Wegen der andauernden Bedrohung bekommt die älteste koptische Gemeinde in Deutschland, St. Markus in Frankfurt am Main, bei ihrem für Donnerstagabend geplanten Weihnachtsfest nach eigenen Angaben besondere Bewachung. "Wir bekommen von der Polizei Objekt- und Personenschutz“, zitiert die "Frankfurter Rundschau“ Diakon Michele Riad. Gleiches gelte für die Trauerfeier, die die Gemeinde plant, um der 21 in Ägypten getöteten Kopten zu gedenken.
Die in Frankfurt-Rödelheim ansässige Gemeinde St. Markus ist mit knapp 1000 Mitgliedern auch eine der größten koptischen Gemeinden in Deutschland. Die Zeitung zitiert den Frankfurter Polizeisprecher Jürgen Linker mit den Worten, seine Behörde halte ständig Kontakt zu der Gemeinde. Zwar stünden nicht rund um die Uhr Streifenwagen vor der Kirche. "Die Kollegen vor Ort sind aber absolut sensibilisiert“, sagte der Sprecher.
In Deutschland und auch in Österreich und Frankreich wächst die Sorge vor islamistischen Attacken auf Kopten. Schon an Heiligabend informierte das Bundeskriminalamt die zuständigen Behörden über eine "allgemeine Anschlagsdrohung“ im Internet gegen die koptische Kirche unter anderem auch in Deutschland. Das österreichische Innenministerium sprach von einer "Todesliste“ mit insgesamt 150 Namen von Kopten aus verschiedenen Ländern, die bereits vor dem Anschlag auf einer Internetseite der Terrororganisation "Islamischer Staat Irak“ veröffentlicht worden sei.
Die Organisation wird in Verbindung mit al-Qaida gebracht. In Alexandria hatte in der Neujahrsnacht ein Selbstmordattentäter 21 Menschen mit in den Tod gerissen, als er sich vor der christlichen Kirche in die Luft sprengte. Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte an Ägyptens Präsident Husni Mubarak, solche Attentate künftig zu verhindern. In Frankreich nahm eine Anti-Terror-Einheit Ermittlungen wegen Drohungen gegen koptische Kirchen im Land auf, zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. "Die Bedrohung ist sehr ernst zu nehmen“, zitierte die Tageszeitung „Le Figaro“ einen hohen Pariser Polizeivertreter.
In Deutschland leben etwa 6000 koptische Christen. Ihr Bischof Anba Damian berichtete von mehreren Warnungen. Das Bundesinnenministerium bestätigte, dass an Silvester ein besorgter Brief des Bischofs einging – wenige Stunden vor dem tödlichen Anschlag in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria, dem in der Neujahrsnacht vor allem Kopten zum Opfer fielen. Damian stützte sich dabei nach eigenen Angaben auf Hinweise des Bundeskriminalamtes.
Im Bayerischen Rundfunk berichtete Damian von einem Plan, der im Internet im Umlauf sei. Demzufolge könnten Kopten in der Nacht zum 7. Januar Zielscheibe für neue terroristische Aktivitäten werden. In dieser Nacht erreichen die Weihnachtsfeiern von orthodoxen Christen ihren Höhepunkt. Koptische Gemeinden gibt es zum Beispiel in Frankfurt, München, Bitburg und Hannover. Österreichs Kopten stehen seit einigen Tagen unter besonderem Schutz, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Wien, Rudolf Gollia.
Auf der Internetseite der Terrororganisation "Islamischer Staat Irak“ seien 15 in Österreich lebende Kopten genannt. Die Organisation sei bekannt, der österreichische Verfassungsschutz habe vor Weihnachten mit den Ermittlungen begonnen, sagte Gollia. Insgesamt listeten die Terroristen 150 Kopten aus verschiedenen Ländern auf. In Österreich leben nach Schätzungen mehr als 5000 Kopten, in Frankreich etwa 45.000. In einem Beileidsschreiben verurteilte die Kanzlerin den Anschlag in Alexandria „aufs Schärfste“. Zugleich äußerte sie sich überzeugt, dass Mubarak alles in seiner Macht Stehende tun werde, "um derartige Vorfälle in der Zukunft zu verhindern“.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat die Anschläge auf koptische Christen in Ägypten scharf verurteilt. Die Lage der Christen im Nahen Osten sei besorgniserregend, sagte Schneider der "Frankfurter Rundschau“. "Es ist leider so, dass Christen dort um ihr Leben fürchten müssen.“
Die staatlichen Autoritäten in Ägypten forderte Schneider auf, nun ernsthaft etwas zu ihrem Schutz zu tun. "In Ägypten ist das Problem in der Vergangenheit nicht ernst genug genommen worden.“ Wichtig sei aber zu erkennen, "dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt, dem nicht einfach mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen beizukommen ist“. Vielmehr müsse alles daran gesetzt werden, "dass alle Bevölkerungsgruppen respektvoll und friedlich miteinander umgehen,“ sagte Schneider.
Die muslimischen Gemeinden in Deutschland forderte Schneider auf, sich noch deutlicher gegen die Verfolgung von Christen, etwa in der Türkei, zu positionieren. „Ich erwarte gerade von jenen Gemeinden, die vom türkischen Staat begleitet und finanziert werden, dass sie sich bei der eigenen Regierung für die Religionsfreiheit der Christen in der Türkei deutlicher und massiver einsetzen, als sie dies bislang getan haben.“ Das, was türkische Muslime in Deutschland genössen, „muss auch für die Christen in der Türkei Wirklichkeit werden“.
Der Kardinal und Wiener Erzbischof Christoph Schönborn forderte Gläubige in aller Welt zu mehr Solidarität mit Christen im Nahen Osten auf. In Ägypten entlud sich die Wut der Christen in teilweise gewalttätigen Protesten. In Kairos Innenstadt wurden am Sonntagabend 39 Angehörige der Sicherheitskräfte und zwei Passanten verletzt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen bewarfen Demonstranten die Polizisten mit Steinen und Flaschen.
Zuvor hatte es bereits in Alexandria und einem vorwiegend von Christen bewohnten Dorf in der oberägyptischen Provinz Assiut Proteste gegeben. Auch Anti-Mubarak-Parolen wurden gerufen. Am Montag entspannte sich die Lage. Unterdessen wurden weitere Ermittlungsergebnisse bekannt. Nach Augenzeugenberichten handelte es sich bei dem Attentäter um einen etwa 40 Jahre alten Mann ohne Bart. Er habe gegenüber der Kirche zusammen mit zwei anderen Männern in einem Auto gesessen.
Aus dem Innenministerium hieß es, der Täter habe zunächst versucht, in die Kirche zu gelangen. Nachdem er die vor dem Gotteshaus postierten Polizisten sah, habe er seine Bombe jedoch davor gezündet. 21 Menschen starben, 97 wurden verletzt. Die Bluttat, die von fanatischen Islamisten geplant worden sein soll, hatte international Empörung ausgelöst. Außenminister Guido Westerwelle verlangte von seinem ägyptischen Kollegen Abul Gheit, alles zu tun, "um Christen und andere religiöse Gruppen gegen Übergriffe und Gewalt durch Extremisten zu schützen“.
Gheit sprach von einem „Anschlag auf das gesamte ägyptische Volk“. Unklar ist noch, ob es eine Verbindung zu dem Blutbad in einer Kirche im Bagdad vom 31. Oktober 2010 gibt. Die damaligen Attentäter, die dem irakischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida zugerechnet werden, hatten erklärt, sie wollten „muslimische Schwestern“ rächen, die von der koptischen Kirche in Ägypten „gefangen gehalten“ würden. Der ranghöchste islamische Religionsgelehrte von Saudi-Arabien bezeichnete die Tat von Alexandria als Verbrechen, das nichts mit dem Islam zu tun habe.
Die saudische Zeitung "Okaz“ zitierte Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich mit den Worten: "Der Islam ist nicht die Religion der Explosionen, und er erlaubt es auch nicht, die Gebetsräume von Nicht-Muslimen anzugreifen.“ Der Mufti von Syrien, Scheich Ahmed Badr al-Din Hassun, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wer diesen Anschlag verübt hat, der kennt keine Religion und keinen Gott.“